„The Cleaner“ Bundeskunsthalle in Bonn zeigt Werk von Marina Abramovic

Bonn (dpa) - Es ist laut. Markerschütternde Schreie und heftiges Schlagen dringen aus den Ausstellungsräumen. Und ein Hacken, als würde ein Koch Karotten schnippeln. Doch die schwarz-weißen Fotos verraten: Es ist das Werk „Rhythm 10“ von Marina Abramovic.

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1973 hatte die serbische Künstlerin, so schnell sie konnte, mit einem Messer zwischen die gespreizten Finger ihrer linken Hand gestochen und das Geräusch aufgezeichnet. Das hören die Besucher zu Beginn der Retrospektive „The Cleaner“ in der Bundeskunsthalle Bonn.

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Ja, sagt Kuratorin Susanne Kleine, die Ausstellung sei auch eine Herausforderung für das Publikum. „Man muss als Besucher eine gewisse Offenheit mitbringen und die Bereitschaft, sich in das Werk hineinzudenken.“ Dann könnten sich anfängliche „Schockmomente schnell relativieren“.

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Etwa der Schock, wenn sich Abramovic erst ein Pentagramm in den Bauch ritzt, sich dann auspeitscht, bis sie keinen Schmerz mehr spürt, und auf ein Kreuz aus Eis legt. „Lips of Thomas“ (1975) hat sich ins kollektive (Kunst-)Gedächtnis eingebrannt. „Aus den Leiden entspringt das beste Werk“, hatte Abramovic 2014 in ihrem Manifest geschrieben. Ihr Körper ist Kunst, ist Leinwand und Projektionsfläche zugleich.

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Oft verstörend, manchmal unverständlich, immer faszinierend ist dieser Querschnitt durch die vielen Phasen des Schaffens der heute 71-Jährigen. Die Schau beweist, wie vielfältig die Arbeiten der serbischen Künstlerin sind, wie politisch sie etwa zur Zeit des Balkankonflikts gearbeitet hat.

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„The Cleaner“, ein von Abramovic selbst gewählter Titel, war zuvor in Stockholm und im dänischen Humlebæk zu sehen. Nach der Station in Bonn zieht die Schau weiter nach Florenz. Die Besonderheit in der Bundeskunsthalle sind eine Vielzahl an sogenannten Re-Performances. Eine Mitarbeiterin von Abramovic hat Künstler gecastet, die die Werke wiederaufführen.

So stehen sich ein Mann und eine Frau nackt in einem Eingang gegenüber, zwischen ihnen ein schmaler Spalt, sie verziehen keine Miene. Anders als beim Original 1977 können Besucher die intime Begegnung jedoch vermeiden, indem sie einen anderen Eingang zum nächsten Raum nehmen. Kuratorin Susanne Kleine kann es jedoch empfehlen, den Umweg nicht zu wählen. „Diese Hundertstelsekunden der Entscheidung - gehe ich durch, was passiert dann? - sind Gedanken, denen man sich so erst bewusst wird.“

Zum allerersten Mal wird die Performance „House with Ocean View“ von 2012 wiederaufgeführt. Dafür lebt und schläft eine Performance-Künstlerin zwölf Tage lang im Museum. Die Besucher können ihr beim ritualisierten Alltag - ohne Essen und Reden - zusehen. Diese Re-Performances sind für Kuratorin Kleine besonders wichtig. „Am besten versteht man das Werk, wenn man die Performances nachempfinden, nacherzählen und nachleben kann.“

Die gezeigten Fotos, Videos und Performances bewegen, setzen Gedanken in Gang, manche sind trotz der Einfachheit in ihrer Radikalität schwer zu ertragen. „Mein Werk ist nicht so kompliziert“, sagt Abramovic bei der Eröffnung.