Caspar David Friedrich: 115 falsche Meisterwerke enttarnt
Das Werk des Romantikers Caspar David Friedrich ist neu untersucht worden — nicht alles ist echt.
Greifswald/Berlin. 115 bisher dem Romantiker Caspar David Friedrich (1774-1840) zugeschriebene Zeichnungen, Aquarelle und Sepien stammen nicht von dem berühmten Künstler. Zu diesem Ergebnis kommt Kunsthistorikerin Christina Grummt. Bei 28 Werken sei die Autorschaft fraglich. Im Gegenzug konnte sie 16 bisher keinem oder anderen Künstlern zugeordnete Arbeiten in das Werk Friedrichs einordnen.
Grummt hat für das neue Werkverzeichnis „Caspar David Friedrich — Die Zeichnungen. Das gesamte Werk“ rund 1150 in Museen und Privatbeständen verwahrte Arbeiten auf Papier wissenschaftlich untersucht. Das neue Verzeichnis ist der erste umfassende Katalog zu Friedrichs Zeichenkunst und der erste Werkkatalog seit 1974.
Grummt hat sich zehn Jahre lang intensiv mit dem Thema beschäftigt. Für den Werkkatalog hatte die in der Schweiz lebende Kunstexpertin weltweit die Bestände untersucht und die künstlerische Handschrift des Zeichners akribisch erforscht. Sie liefert Angaben zu biografischen Daten, Herkunft, Papiersorten und Wasserzeichen sowie Querverweise auf andere Blätter und rekonstruierte nicht mehr erhaltene Skizzenbücher. Während dieser Arbeit wirkte sie an drei großen Friedrich-Ausstellungen in Essen, Hamburg, München (2006/2007), Stockholm (2009/10) und Madrid (2009) mit.
Der neue Katalog hat Folgen: Einige Friedrich zugeschriebene Werke, müssen ihm wieder abgeschrieben werden. Davon betroffen sind Museen und Sammlungen im In- und Ausland, darunter die Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Pommersche Landesmuseum Greifswald sowie Kunstsammlungen in Wien, Kopenhagen und New York.
Dass Museen unechte Friedrichs beherbergen, steht für den langjährigen Friedrich-Forscher Helmut Börsch-Supan außer Zweifel. Zu erklären sei dies aus der zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzenden Friedrich-Begeisterung und dem damit verbundenen Run auf Arbeiten des Künstlers.
In den betroffenen Museen ist man „nicht glücklich“ über die neuen Erkenntnisse, die Arbeit wird aber grundsätzlich anerkannt. „Es ist ein natürlicher Forschungsprozess, der uns weiterbringt“, sagte der Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts, Heinrich Schulze Altcappenberg, wo rund 15 Arbeiten als nicht von Friedrich stammend oder fraglich eingestuft wurden. Die Abschreibungen seien „weitgehend gerechtfertigt“. Ähnlich reagierte das Pommersche Landesmuseum in Greifswald. Dort hatte Grummt von den laut Museum insgesamt 71 Zeichnungen 17 Blätter aus dem Bestand genommen und fünf als fraglich deklariert. „Bei einigen Arbeiten hatten wir bereits Zweifel“, sagte die Direktorin der Gemäldegalerie, Birte Frenssen. Bei anderen würden die Abschreibungen nochmals geprüft. Frenssen verwies aber auch auf „Zuwachs“ im Friedrich-Bestand. So hatte Grummt die Neuzuordnung der im Museum verwahrten Arbeit „Familientrauer“ von 1798/1799 bestätigen können.
Gewünscht hätte man sich eine differenziertere Begründung der Abschreibungen, hieß es aus den Museen. In den meisten Fällen führe Grummt lediglich aus, dass „künstlerische Auffassung und zeichnerische Umsetzung des dargestellten Gegenstandes keine Zuordnung des Blattes in das Werk von Caspar David Friedrich“ erlauben. Eine Kritik, der sich Helmut Börsch-Supan, Mitverfasser des 1973 erschienenen Werkverzeichnisses, anschließt. „Ich halte es für gefährlich, wenn man Kunstwerke von einer gewissen Qualität schroff abschreibt.“ Die überwiegende Zahl der Abschreibungen sei zwar nachvollziehbar, er wünsche sich jetzt aber eine sachlich fundierte Diskussion in der Forschung über die betroffenen Werke.