Bremerhavener Auswandererhaus wird erweitert
Bremerhaven (dpa) - Wer in seiner Heimat alles aufgegeben hat, die gefährliche Reise in ein fremdes Land geschafft und Aufnahme gefunden hat, der ist dort noch lange nicht angekommen. Das war früher so, das ist heute so - nach der Auswanderung beginnt die Einwanderung.
Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven erhält jetzt in Europa eine einmalige Stellung: Mit Millioneninvestitionen wird es zu einem Migrationsmuseum erweitert. Die neuen Ausstellungsräumen öffnen am 22. April.
Das 2005 eröffnete Auswandererhaus zieht seine Besucher mit originalgetreu nachgebauten Kulissen in die Geschichte. Die Besucher starten ihre Reise in ein neues Leben im Grand Central Terminal, dem luxuriösen New Yorker Hauptbahnhof. „Wir arbeiten stark mit Inszenierungen, um zu zeigen, was es bedeutet, seine Heimat für immer zu verlassen“, sagt Direktorin Simone Eick. „Man kann Emotionen nicht ausstellen, nur auslösen.“
Deswegen tauchen Besucher für ihre Reise in die Biografie eines echten Auswanderers ein, den sie durch alle Stationen begleiten. So stehen sie etwa neben ihm an der Kaje vor der drohend dunkel aufragenden Bordwand eines Ozean-Dampfers. Die Besucher begleiten ihren Auswanderer auch in die enge Kabine und nach Ellis Island in der Bucht von New York, wo sich innerhalb weniger Minuten entscheidet, ob die USA die Einreise erlauben oder nicht.
Viele Nachfahren von deutschen Einwanderern in die USA besuchten das Auswandererhaus bereits auf den Spuren ihrer Familienvergangenheit. Sie reagieren besonders stark auf das Konzept. „Sie stehen mit Tränen in den Augen da, weil sie sehen, mit welchen Strapazen das verbunden und wie emotional das alles war“, berichtet die Museumsdirektorin.
Im neuen Teil des Hauses soll es auf 1900 Quadratmetern Fläche ähnlich weitergehen. Doch gleichzeitig wird das Auswandererhaus politischer, denn Einwanderung nach Deutschland ist in der gesellschaftlichen Debatte immer noch ein umstrittenes Thema.
Dabei sei Deutschland immer auch ein Einwanderungsland gewesen, erklärt die promovierte Historikerin Eick - von den Hugenotten in Brandenburg über polnische Bergarbeiter im Ruhrgebiet bis zur Einwanderung im Wirtschaftsboom der 50er und 60er Jahre. „Wanderung ist der Normalzustand, Sesshaftigkeit die Ausnahme.“
Die Besucher bekommen einen Einblick in Fragen der Integration - aus einer für viele überraschenden Perspektive. Lernten deutsche Einwanderer in den USA die neue Sprache? Tauchten sie in die Gesellschaft ein oder bildeten sie abgeschlossene Gruppen? „Wir wollen Interesse wecken, das Verkrampfte lösen“, sagt Eick. Gefährlich sei es für eine Gesellschaft nur, sich mit diesen Themen nicht auseinanderzusetzen.
Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) unterstreicht die Bedeutung des Projekts. „Längst hat sich dieses wunderbare Haus zu einem Publikumsmagneten entwickelt und inzwischen eine weithin beachtete Sammlung zur Biografie- und Mentalitätsgeschichte der deutschen und europäischen Auswanderung aufgebaut. Ein Glücksfall für Bremerhaven.“
Und Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) erinnert daran, dass die Stadt an der Wesermündung mit sieben Millionen Auswanderern zwischen 1832 und 1974 der größte europäische Auswandererhafen war. „Der Ausbau der Ausstellung um das Thema Einwanderung ist eine wichtige Ergänzung des Konzepts.“
Mit ihrem Konzept haben die Macher des Auswandererhauses bisher 1,4 Millionen Besucher angelockt - und die meisten überzeugt. So wie Ingrid und Norbert Riedel aus Neuss am Rhein, die mit ihren Enkelkindern aus dem Museum kommen. Beeindruckt sind sie und ergriffen: „Das war sehr aufregend.“