Christie's im Aufwind - Der Kunstmarkt boomt

London (dpa) - Der Mann, der bei Christie's in London den Auktionshammer schwingt, gibt sich gelassen. Entgegen allen Unkenrufen sei der internationale Kunstmarkt gestärkt aus der Wirtschafts- und Finanzkrise hervorgegangen.

„Trotz der großen Turbulenzen ist unser Geschäft ständig gestiegen. Der Kunstmarkt ist robust und wird es auch bleiben“, sagt Jussi Pylkkänen, Christie's Chef für Europa, den Nahen Osten, Russland und Indien, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Das Jahr 2012 ging weltweit für Christie's mit Auktionserlösen von 3,92 Milliarden Pfund (4,7 Milliarden Euro) zu Ende, eine Steigerung von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fast 20 Prozent der Bieter waren neue Kunden. Bei den traditionellen Februar-Auktionen für Nachkriegs- und Gegenwartskunst gab es schwindelerregende Preise - von Gerhard Richter über David Hockney bis hin zu Werken aus der Münchner Kunstsammlung von Ingvild Goetz, deren Erlös gemeinnützigen Zwecken zugute kommen wird.

„Es ist einfach fantastisch, wenn die Kunst in der Lage ist, so ein großes philanthrophisches Geschenk zu machen,“ sagte Pylkkänen. Für ihn aber steht die wachsende Begeisterung für Kunst aller Sparten und Preisklassen - quer durch die sozialen Schichten - in einem größeren Zusammenhang. „Die Kunstwelt von heute ist global. Das Interesse und Verständnis für die Kunst anderer Kulturen sind gewachsen. Wir haben in den letzten sechs bis sieben Jahren eine gewaltige Bewegung hin zum Kunsterwerb über die kulturellen Grenzen hinaus erlebt. Kunst ist wahrhaft multikulturell.“

Die Nationalität des Künstlers sei damit weniger wichtig geworden als das Objekt. „Rothko ist nicht mehr nur ein amerikanischer Künstler - Nationalität hat an Bedeutung verloren, sie zählt nicht mehr.“ Der Trend zum leichteren und schnelleren Erwerb von Kunst wurde laut Pylkkänen durch das Internet, den größeren Zugriff auf Informationen, Preistransparenz und alternative Kunstmessen gefördert. Dadurch kämen Käufer aller sozialen Schichten - und insbesondere junge Menschen - zur Kunst. „Kunst ist unglaublich modern geworden. Sie ist Gesprächsthema. Sie spielt im Leben der 25-Jährigen von heute eine viel größere Rolle als noch zwei Generationen zuvor.“

Die „Globalisierung der Kunst“ erhält Aufschwung durch das Internet. Das zeigt sich auf Wachstumsmärkten wie dem Nahen Osten (Dubai, Katar, Vereinigte Arabische Emirate), sowie in Russland, Indien, China und sogar Pakistan. In Dubai, so Pylkkänen, stieg die Zahl der Kunsthändler von fünf im Jahr 2005 auf heute mehr als 80. „Es ist auch kein Zufall, dass so viele westliche Händler Galerien in China aufgemacht haben.“

Christie's will 2013 bis zu 50 Online-Auktionen veranstalten, verglichen mit sieben im vergangenen Jahr. „Es ist schwierig, die Grenzen dieses Marktes einzuschätzen.“ Sammler würden Objekte erstehen, ohne sie gesehen zu haben, und damit auf die „Authentizität und das Wissen“ von Christie's vertrauen. „Wir versuchen im Moment zu ergründen, welche Kunstsparten für Online-Bieter den größten Appeal haben.“

Trotz der Ausweitung der Klientel - 19 Prozent der Bieter waren 2012 neue Kunden - bleibt Christie's ein Ort, an dem sich die Superreichen die Klinke in die Hand geben. „Die Superreichen, oder Medici-Sammler, wie ich sie nenne, werden in der Kunstwelt immer eine große Rolle spielen. Kunst ist und bleibt eine Investition.“

Pylkkänen, ein Finne der vor rund 20 Jahren seine rasante Karriere bei Christie's begann, sieht das führende Auktionshaus als ein Geschäft wie jedes andere. „Christie's ist schon lange nicht mehr nur ein Auktionshaus. Wir sind ein Kunstunternehmen, wir tätigen und vermitteln Geschäfte, und schaffen eine Plattform für den Künstler.“

Die Vorstellung, dass das traditionelle Auktionszeremoniell eines Tages der Online-Variante zum Opfer fallen könnte, weist er aber weit von sich. „Der Auktionssaal bleibt. Er ist unser Lebenssaft.“

Gespräch: Anna Tomforde, dpa