Facetten der Bildhauerei in Düsseldorf
Düsseldorf (dpa) - Bildhauer - da hat man immer noch den Künstler vor Augen, der aus Stein oder Bronze Büsten und Skulpturen schafft.
Dabei arbeiten die „Bildhauer“ heutzutage mit allen möglichen Materialien. „Gold, Blut, Licht, Gewebe, DNA, Lichtröhren, Suppendosen und Hasenpfoten - alles“, zählt Bildhauer Tony Cragg auf, der Rektor der renommierten Kunstakademie Düsseldorf ist. Von Cragg stammt die Idee für eine ungewöhnliche Kooperation mit der nur rund 200 Meter entfernten Kunstsammlung NRW, die ein Hort der Klassischen Moderne und der etablierten zeitgenössischen Kunst ist.
Die Landesgalerie präsentiert nun 53 Akademie-Künstler in einer Ausstellung mit dem anachronistischen Titel „Die Bildhauer. Kunstakademie Düsseldorf, 1945 bis heute“. Dazu gehören etwa Joseph Beuys, Günther Uecker, Markus Lüpertz, Jörg Immendorff, A.R. Penck sowie Thomas Schütte, Katharina Fritsch und Cragg selbst. Sie lehren als Professoren an der Akademie oder haben dort gelehrt, manche waren dort Studenten. Einige von ihnen haben Kunstgeschichte geschrieben und sind in den ehrwürdigen Kanon der Kunstsammlung aufgenommen worden.
Natürlich stehen am Anfang der groß angelegten Schau Joseph Beuys und sein Lehrer Ewald Mataré, der wunderbare Tiere aus Holz schuf. Beuys' beinloser Flügel mit rostigem Notenständer, die weißen Stahlrohre von Norbert Kricke, die den Raum wie Linien einer Zeichnung durchmessen, oder Günther Ueckers benageltes Klavier - all diese Objekte brechen mit den traditionellen Vorstellungen von Bildhauerei.
Die Zero-Künstler Otto Piene und Heinz Mack nutzten für ihre futuristischen Lichtskulpturen Motoren, Edelstahl und Plexiglas. Aschehaufen von Reiner Ruthenbeck oder zwölf verplombte Fässer mit geschöpftem Rheinwasser von Klaus Rinke sind Beweise für Craggs These, dass „die Materie alles sein kann, was wir uns vorstellen können“.
Die Bildhauerei-Klassen in Düsseldorf seien immer „besonders radikal“ gewesen, sagt Cragg. Die Künstler überschreiten schamlos Grenzen. Videokünstler Nam June Paik platzierte die Nachbildung von Rodins berühmtem Bronze-„Denker“ vor einen TV-Bildschirm, in dem sich der Denker beim Denken sehen kann.
Professor Thomas Grünfeld erschafft präparierte Tierhybride, in diesem Fall halb Strauß - halb Biber. Professorin Katharina Fritsch lässt eine überlebensgroße schwarze Maus alptraumhaft auf einem weißen Bett sitzen, in dem ein Mensch ruhig schläft.
Ironie und Humor sind den Bildhauern nicht fremd. Pia Stadtbäumer imitiert Gips und Granit mit Wachs und Filz. Manche Objekte kann man hören wie etwa Reinhard Muchas Holzvitrine, aus der Vogelgezwitscher und der Lärm von Flugzeugtriebwerken kommen. Andere Objekte wie die Kaffeehäufchen von Jannis Kounellis duften. In einem „Labor“ darf man außerdem endlich das tun, was in einer Ausstellung sonst streng verboten ist: die Kunstwerke anfassen.
Die Schau veranschaulicht, was für eine Talentschmiede die Düsseldorfer Kunstakademie war und ist. Zumindest bis zum Sommer haben einige junge Bildhauer es geschafft, in die Welt der Etablierten einzudringen wie zum Beispiel Gereon Krebber, Jahrgang 1973. Er ist der aktuell jüngste Professor an der Akademie. Seine blau-glänzende Schlange namens „Intruder“ (Eindringling) schlängelt sich wie ein künstlerischer Parasit durch das Treppenhaus der Kunstsammlung.