Kunst Die Kunst der Oda Jaune nach dem Terror von Paris
Immendorffs schöne Witwe ist zur großen Künstlerin gereift. Im Buch des Wuppertaler Christian Boros gibt sie Beispiele ihrer explosiven Kraft.
Paris/Berlin. Als Oda Jaune im Jahre 2000 ihren Jörg Immendorff heiratete, war sie 21 Jahre alt und die schöne, junge Frau an der Seite des berühmten Malers. Als Immendorff sieben Jahre später starb, war sie die Mutter einer kleinen Tochter und Witwe.
Später erregte sie Aufsehen durch ihre Prozesse, die sie mal gewann, mal nicht. Denn Jörg war nicht immer einfach in seinen Geschäftsbeziehungen. Doch jetzt tritt eine andere Oda Jaune in Erscheinung, nicht die Witwe, nicht die Verteidigerin des Erbes, sondern die Künstlerin. In der Ehemaligen Jüdischen Mädchenschule in Berlin-Mitte, der heutigen Michael-Fuchs-Galerie, präsentierte sie ein stolzes Buch, das schönste, das der Wuppertaler Christian Boros je herausgebracht hat.
Oda lebt nun in Paris, fernab vom Düsseldorfer Klüngel, wo ihr die Boulevard-Presse hinterhergestiegen ist. An der Seine hat sie in letzter Zeit ihre schönsten Träume durch reale Alpträume vertauscht. Denn die Stadt, so erzählte sie in Berlin, sei schon seit dem Anschlag auf Charlie Hebdo nicht mehr wiederzuerkennen. Erst recht seit dem Schwarzen Freitag würden die eher distanzierten Franzosen einander näher kommen und helfen. Aber die Situation sei surreal.
Nichts ist einfach nur noch schön auf den Bildern dieser Frau. „Malen muss wehtun“, sagt sie neuerdings. Ihre Aquarelle beschäftigen sich mit der Maske. Hinter ihr versteckt sich die Arglist. Der Kopf taucht unter, und der Penis dringt wie ein Dreschflegel an die Oberfläche. Gleich das Cover des absolut perfekt gedruckten Buches ist ein schreiendes Menschlein. Der Kopf wirkt fast schwarz, die roten Lippen sind weit geöffnet und geben den Blick in den Schlund frei. Der Oberkörper ist entblößt, die Arme verschwinden im Nirgendwo zwischen dunkleren und helleren Verwischungen der Wasserfarbe.
Manches ist erotisch, wenn die Sexpuppe im Arm des alten Mannes steckt. In einem geöffneten Mund fingert eine Hand wie in einer Scheide. Manches ein Spuk. Dann lugen die Augen hinter dem Witwenschleier hervor. Zuweilen wirkt eine Szene dem Theater abgeschaut, wenn die Blondine den Totenkopf mit ausgestreckten Armen in den nächtlichen Himmel hält, als wolle sie ihn opfern. Ein Kopf ist eingezwängt in eine harte Schale und gebiert einen Widerling.
Wie sie erzählt, holt sie sich ihre Motive aus dem Internet, vom Video, aus Fotoagenturen. Es sollen neutrale Bilder sein, aber sie müssen sie fesseln. Nur so komme die eigene Kraft, die eigene Expression, die Gewalt der Zeit in die Bilder.
Seit fünf Jahren hat der umtriebige Christian Boros außer seiner Agentur in Wuppertal und seiner Kunstsammlung im ehemaligen Reichsbahnbunker in Berlin einen Verlag für die Kunst der Gegenwart, den Distanz-Verlag. Auch dort gibt er Vollgas. Wie immer. Schwört weiterhin aufs Rheinland und stellt der Oda Jaune den Münchener Grafikdesigner Mirko Borsche zur Seite, der sogar das Buchcover mit einem Passepartout umgibt, so dass der Leser glaubt, er bekomme gleich ein Aquarell gratis mitgeliefert, für das er sonst 3000 Euro zahlen muss.