Erste Ausstellung der documenta 14 in Athen öffnet
Athen (dpa) - Erstmals in ihrer 60-jährigen Geschichte wird die documenta im kommenden Jahr nicht nur in Kassel, sondern zunächst auch in Athen stattfinden.
In Griechenland stößt die renommierte Ausstellung zeitgenössischer Kunst jedoch schon jetzt auf Kritik. Anlass ist die Eröffnung der „Öffentlichen Programme“, eine zehntägige Veranstaltung namens „34 Freiheitsübungen“, mit der das documenta-14-Team am Mittwoch den ersten Athener Veranstaltungsort der Kunstschau eröffnete.
Wie ein eingestürztes dreidimensionales Tetris-Spiel stapeln sich die 68 gewaltigen Ruinenblöcke des griechischen Künstlers und Architekten Andreas Angelidakis im Städtischen Kunstzentrum von Athen. Die massiven Elemente in Sichtbetonoptik sind aus leichtem Kunststoff gefertigt und können im Raum beliebig neu gestaltet werden. Das Gebäude selbst war während der griechischen Militärdiktatur (die sogenannten Obristenjunta 1967 - 1974) Hauptquartier der Militärpolizei - dahinter befindet sich eine ehemalige Haft- und Foltereinrichtung. Schon der Ort befremdet manche Griechen, obwohl er als Kunstzentrum eigens von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt wurde.
Das Team der documenta hat die Räumlichkeiten im Parko Eleftherias „freigelegt“, hat Teile der Deckenverkleidung entfernt, so dass sowohl Kabel und Schläuche als auch die alten Holzbalken der Dachkonstruktion sichtbar werden. Zusammen mit der formbaren Architektur von Andreas Angelidakis entsteht so ein Raum, der versucht, die Geschichte des Ortes zu beleuchten und darüber hinaus zu reflektieren. Dazu hat Kurator Paul B. Preciado 45 internationale Teilnehmer eingeladen, die in Gesprächen, Performances, Workshops, Spaziergängen und Vorführungen mit der Öffentlichkeit in Dialog treten.
Während der zehntägigen Aktion fordern die documenta-Macher ihre Besucher dazu auf, den Ort selbst zu gestalten und Hierarchien und Maßstäbe infrage zu stellen. Sie wollen „bewusst auf die gewohnte Gegenüberstellung von Diktatur und Demokratie“ verzichten, um so „das Versagen der Demokratisierung unter dem Regime des Neoliberalismus“ besser zu verstehen. Und das längst nicht nur am Beispiel Griechenlands, sondern auch Spaniens, Argentiniens und Chiles.
Dennoch fiel die Reaktion vor allem der konservativen Presse auf dieses Anliegen zum Teil vernichtend aus. „Die documenta war eine Gelegenheit, sich dieser Stadt kreativ zu widmen, weg von den Stereotypen, von der Besessenheit mit der Antike, von Idealisierung und touristischer Folklore“, schrieb die Athener Tageszeitung „Kathimerini“. „Aber ach! - wenn jemand die Statements liest, wird er feststellen, dass die 14. documenta auf kämpferischen Gedanken basiert, unerträglich restriktiv und einseitig bis hin zur Obsession.“
„Es gab starke Reaktionen“, heißt es auch seitens des documenta-14-Teams, „aber wir begrüßen die Diskussion.“ Dem Kurator sei es wichtig gewesen, gegenwärtige politische Konflikte in einer geschichtlichen Perspektive zu beleuchten und auf diese Weise aktuelle Debatten neu zu fassen. „Ziel der documenta ist es, Fragen aufzuwerfen und in einen kritischen Dialog zu treten - und zwar global, mit Künstlern, die sich mit übergeordneten Themen befassen.“
Das begrüßt auch Athens Bürgermeister Giorgos Kaminis. „Die documenta 14 ist ein Geschenk für die griechische Hauptstadt und wird ein fruchtbares Vermächtnis hinterlassen, indem Athen neben der touristischen auch eine zeitgenössisch-kulturelle Destination wird“, sagte Kaminis der Deutschen Presse-Agentur. Die Stadt sei der Garant der Freiheit des Schaffens und unterstütze die Veranstaltung nach Kräften. „Wir werden unser Bestes tun, damit auch Athen eine starke kulturelle Agenda anbietet.“ Denn trotz mancher Kontroverse haben die verschiedenen Akteure eines gemeinsam: Allesamt sind sie höchst gespannt, wie die Bürger den Auftakt der documenta aufnehmen werden.