Wiener Restauratoren auf Rettungsmission
Wien (dpa) - Der Kenner sieht das Unheil. Verdeckt von zur Vertuschung nachträglich aufgemalter Farbe steckt ein Nagel im Tafelbild von Peter Paul Rubens „Gewitterlandschaft mit Jupiter, Merkur, Philemon und Baucis“.
Einer? Mehrere!
Vor etwa 200 Jahren wurden sie von vorne durch das Bild genagelt, um das dünne Eichenholz mit rückseitigen Leisten zu stabilisieren. „Das war die erste Intervention“, sagt Restauratorin Ina Slama.
Das um 1620 entstandene Meisterwerk des berühmten flämischen Barockmalers birgt noch weitere Geheimnisse: Der hölzerne Bildträger ist zwei Mal durch Anstückungen vergrößert worden. „Erst war da nur eine kleine Landschaft mit dramatischer Gewitterwolke“, sagt Rubens-Expertin Gerlinde Gruber. Am Ende hat Rubens (1577-1640) eine große sintflutartige Szenerie geschaffen, in der nur das Liebespaar Philemon und Baucis durch die Gnade der Götter überleben darf.
Jetzt steht das Bild in der Restaurierwerkstätte der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums (KHM) in Wien. Der Grund: Am 17. Oktober 2017 wird im KHM eine große Rubens-Schau eröffnet. „Ausstellungen bedeuten auch Bestandspflege“, meint Stefan Weppelmann, Direktor der Gemäldegalerie. Die acht Restauratoren des KHM untersuchen die für die Schau vorgesehenen Meisterwerke akribisch mit Röntgenstrahlen und Infrarot-Kameras, beheben Schäden, reduzieren die oft vergilbte harzige Schutzschicht (Firnis). Sie wird vorsichtig mit lösemittelgetränkten Wattebäuschen abgetragen und durch eine neue ersetzt.
Das passiert aktuell mit einigen Rubens-Gemälden. Das KHM beherbergt mit zwölf Bildern auch die weltweit größte Sammlung von Werken von Pieter Bruegel dem Älteren (1525/1530-1569), dem vor allem für seine Motive aus dem bäuerlichen Leben bekannten Meister. Ergänzt um Leihgaben startet im Oktober 2018 eine hochkarätige Bruegel-Schau im KHM. „Unser Bruegel-Bestand wird aus diesem Anlass erstmals umfassend mit verschiedenen technologischen Methoden analysiert und dokumentiert“, sagt Weppelmann.
Beide Maler haben ihre Motive auf Eichenholz gemalt, die Leinwand setzte sich als Bildträger erst später durch. Aber: „Holz bewegt sich immer“, sagt Monika Strolz, stellvertretende Leiterin der Restaurierwerkstatt. Das Material reagiert sensibel auf klimatische Veränderungen - wie auf trockene Luft, durch die im 19. Jahrhundert aufkommenden Heizungen. Darunter litten auch die aus qualitativ hochwertigem baltischen Eichenholz bestehenden und handwerklich erstklassig verarbeiteten Holztafeln.
Frühe Rettungsversuche hatten aus heutiger Sicht einen rüde wirkenden Charakter. Der Bildträger des ersten großen europäischen Schnee-Gemäldes, Bruegels „Jäger im Schnee“ (1565), wurde abgehobelt - von wohl mehr als einem Zentimeter Stärke auf nur noch 0,4 Zentimeter. Zur Stabilisierung wurden parkettartig Leisten auf der Rückseite teils verleimt, teils bewusst nicht verleimt, um das Holz arbeiten zu lassen. Doch auch diese Konservierungsmethode hat im Laufe der Zeit ihre Tücken. „Es gibt sehr viele Bilder mit ähnlichen konservatorischen Problemen“, meint die wissenschaftliche Mitarbeiterin Alice Hoppe-Harnoncourt.
„Ohne Wein und Essen verkümmert auch die Venus“, zeigt Gruber auf die von Rubens 1614 gemalte „Venus frigida“ („Frierende Venus“). Restauratorin Slama löst derweil mit kleinen kreisenden Bewegungen und einem Wattebausch den dicken Firnis. Die Gesamt-Restaurierung des Werkes wird ein Jahr dauern. Inzwischen strahlt das rote Gewand, auf dem die nackte Venus sitzt, aber schon. „Die Leuchtkraft der Farben ist unglaublich“, freut sich Slama. Und auch dieses Gemälde hat ein Geheimnis. Nach dem Tod von Rubens wurde es durch Holz-Anstückungen auf die doppelte Größe gebracht und eine düstere Landschaft rund um die Liebes-Göttin gemalt. „Da hat jemand das Format seinen Bedürfnissen angepasst“, meint Gruber.