Ströme und Manifeste bei der Ruhrtriennale

Dortmund (dpa) - Häfen sind traditionell Umschlagplätze für alles Mögliche. Ein Objekt, das wie ein pinkes Alien aussieht, sticht aber trotzdem heraus. Ein solches nistet sich nun wochenends während der Ruhrtriennale über dem Dortmunder Hafenbecken ein.

Foto: dpa

An seinen vier Kraken-Armen hängt es aus einer der Verladestationen.

Man kann einsteigen und sich damit über den Kanal heben lassen. Bis zu 15 Menschen baumeln dann dort, wo die Kran-Katze normalerweise riesige Stahlrollen auf Schiffe verlädt: zehn Meter über dem Hafenwasser. „Bis man oben ist, wird man seinen Adrenalinhaushalt anders reguliert haben“, sagt Professor Oliver Langbein.

Er ist einer der drei Architekten des „office for subversive architecture“, die dieses merkwürdige Fahrgeschäft für die Ruhrtriennale entwickelt haben. „well, come“ nennen sie es. Es ist eins von mehreren Kunstwerken dieser Spielzeit, die abseits der traditionellen Bühnen zu sehen sind.

Ströme sind das Thema, das alle Teile der Installation im Dortmunder Hafen zusammenhält - Güter-, Daten-, Flüchtlings- oder Bewusstseinsströme zum Beispiel. Das wird auch in Bild und Ton transportiert. Akustisch hat nämlich der Klangkünstler Florian Kaplick Dada-Texte wie Hugo Balls „Karawane“ umarrangiert und beschallt damit die Mitfahrenden.

Leinwände in der Verladestation zeigen Animationen globaler Ströme, von Dortmund in alle Welt und zurück und hin zu Flüchtlingsströmen. Eine pädagogische Arbeit solle es nicht sein, sagt Langbeins Kollege Karsten Huneck. „Aber sie wird gewisse Fragen aufwerfen.“

Ähnlich grundsätzlich wird in Duisburg, am anderen Ende des Ruhrgebiets, auch Julian Rosefeldt. In „Manifesto“ zeigt der Filmkünstler auf zwölf Leinwänden die Schauspielerin Cate Blanchett, wie sie in 13 Rollen aus Manifesten der Kunstgeschichte zitiert: Dadaismus auf einer Beerdigung etwa.

Manifeste scheinen etwas aus der Mode gekommen. Rosefeldt sieht in den „großen Selbsterklärungsversuchen“ meist junger, wütender und zugleich verunsicherter Künstler allerdings eine große Brisanz. Mit Blick auf die verunsicherte Weltlage stellt er nämlich eine „besorgniserregende Tendenz der Verführung mit Worten“ fest, und das „in einer Zeit, in der es darum gehen müsste, genau hinzuhören und behutsam mit Wörtern umzugehen“.

„Hier wird auch viel gebrüllt“, sagt Rosefeldt über die in seiner Installation zusammengestellten Manifeste, „aber mit großer Intelligenz und Differenziertheit. Hier gibt es nicht einen Satz, der nicht sitzt.“

Vor der Jahrhunderthalle in Bochum hat das Atelier Van Lieshout wieder das Kunstdorf „The Good, the Bad and The Ugly“ aufgebaut. Im „House of the Talking Heads“ diskutieren zwei überdimensionierte Köpfe über das Wesen von Mensch und Maschine.

Auch eine internationale Gruppe von Teenagern will einen Beitrag zur Wertediskussion über „Freiheit? Gleichheit? Brüderlichkeit?“ leisten, die Ruhrtriennale-Intendant Johan Simons als Reaktion auf die verunsichernde Weltlage in dieser Spielzeit ausgerufen hat. Sie errichten ein eigenes „Machtgebiet“, von dem aus Nachtwanderungen und Mutproben starten und in dem „Teentalitarismus“ herrscht.

Das heißt, Erwachsene müssen vor der Einreise ein Visum beantragen. Ein Beitrag zur allgemeinen Gleichbehandlung, erklärt die dort mitregierende Burasha Lleshaj: „Wir haben unsere Gesetze. Rein darf nur, wer mit uns redet wie mit Erwachsenen.“