Fotokunst Die Bechers: cool, ehrlich und witzig
Zwei ungewöhnliche Gespräche mit den großen Fotografen erscheinen posthum im Verlag Schirmer/Mosel.
Düsseldorf. Mehr als 40 Jahre haben Bernd und Hilla Becher gemeinsam die Industriearchitektur fotografiert. Und seit vielen Jahrzehnten werden sie mit ihrem Werk im Verlag Schirmer/Mosel begleitet. Jetzt verabschiedet sich ihr Freund und Wegbegleiter mit einer „letzten Verneigung“, wie Lothar Schirmer es nennt. Er veröffentlicht posthum zwei Interviews. Ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes erzählt etwa die Witwe Hilla Becher, dass sie sich anfangs in die „Verrücktheiten ihres späteren Mannes“ verliebt habe. „Am Anfang hat Bernd diese Industrielandschaften gezeichnet. Er wurde damit aber nie fertig, weil er so präzise war. Eigentlich hat ihn Fotografie nicht interessiert.“
Hilla Becher ist eine erzählfreudige Frau. Ihre Antworten im Gespräch mit Dominik Wichmann und Tobias Haberl zeugen von einer großen Souveränität.
Warum ausgerechnet Förderanlagen und Hochöfen als Motive, wollen die beiden wissen. Die Antwort: „Weil sie ehrlich sind. Sie sind funktional und zeigen, was sie machen. Das hat uns gefallen. Am Anfang wollte Bernd sich mit diesen Bildern seine Kindheit bewahren und zurückholen. Er war ja im Siegerland zwischen Erzbergwerken und Hochöfen groß geworden.“
Die Teamarbeit war selbstverständlich. Der eine habe die Leute unterhalten oder Wache gestanden, der andere das Stativ am Geländer befestigt oder das Unkraut weggeschnitten. Sie hätten sich gegenseitig helfen müssen, über Leitern und Steigleitern auf einen Hochofen zu klettern, mit schwerem Gepäck auf den Schultern.
Der „Antreiber“ sei eindeutig Bernd gewesen. Hilla über ihren Mann: „Er war besessen und hat alles so oft wiederholt, bis es saß. Eigentlich bin ich auch Perfektionistin, aber er war so extrem, dass ich ihn manchmal aus seiner Manie reißen und bremsen musste. Ich habe ihn als Chef und er hat mich als Berater akzeptiert. Ich glaube, dass Männer im Grunde doch ein bisschen ehrgeiziger sind als Frauen.“
Oft wochenlang waren die beiden unterwegs, und zwar im VW-Bus. In diesem Fahrzeug haben sie geschlafen, die Negative gewechselt und gekocht. Hotels hätten sie sich nicht leisten können, außerdem waren sie in diesen Gegenden kaum zu finden.
Die Anfänge müssen hart gewesen sein. Sie hatten finanzielle Probleme, schlechte Objektive, schlechte Geräte. Jede Reise war ein Problem. Aber dann kam 1976 der Ruf an die Kunstakademie Düsseldorf. Als Rektor Norbert Kricke am Telefon sein Anliegen vortrug, nahm Hilla den Hörer ab und erklärte, ja, sie werde es machen. Da soll Kricke geantwortet haben: „Nee, nee, nee - wir wollen den Meister.“ Dabei war Hilla die ausgebildete Fotografin und hatte schon einen Lehrauftrag an der Kunstakademie in Hamburg gehabt. Aber Professorinnen waren in den 1970er Jahren eben unbekannt.
In enger Zusammenarbeit mit Hilla Becher begründete Bernd die sogenannte Becher-Schule mit Thomas Struth, Candida Höfer, Andreas Gursky und Thomas Ruff, die heute internationalen Ruhm genießen. Dennoch bezieht Hilla den Begriff der „Becher-Schule“ nicht auf sich, wenn sie sagt: „Das ist die Schule von Bernd. Er hatte diese Anstellung an der Akademie.“Hilla macht deutlich: „Er hat keine Künstler kreiert. Wo nichts war, da ist auch nichts draus geworden. Es ging eher um die Art, wie man ein Thema durcharbeitet, vielleicht auch um Demut und Bescheidenheit.“
Der Medienwissenschaftler Ulf Erdmann sprach mit Hilla & Bernd im Jahr 2002. Er holt weit aus, beginnt bei den Anfängen in der Werbeagentur Troost, wo sie sich 1957 kennengelernt haben. Erstmals wird deutlich, wie beide Künstler in der Werbung gestartet sind. Bernd habe Firmenzeichen entwickelt, Hilla habe sogar „tolle Aufträge“ bis nach Brasilien gehabt, von denen das nächste Auto bezahlt wurde.
Die Interviews sind spritzig, humorig, gewitzt. So erzählt Hilla von einer Begegnung in der Zeche Zollern II. Ein Mann sei auf sie zugegangen und habe gesagt: „Sie sind doch die Bechers — komisch, ich war mir sicher, einer von Ihnen wäre tot.“ Da habe Bernd wie aus der Pistole geschossen geantwortet: „Nee, bestimmt nicht! Das wäre mir aufgefallen.“