Düsseldorf Zuhause bei Familie Beuys - Unbekannte Fotos des Künstlerhaushalts

Joseph Beuys kennt man vor allem als öffentlichen Künstler. Ein Buch mit bisher noch nie gezeigten Fotografien gestattet einen Einblick in sein Familienleben und den Künstlerhaushalt. Die Besonderheit: Beuys ist auf keinem Foto zu sehen.

Ein Foto zeigt den Nähtisch und den Ölofen im einem Raum im Haus am Drakeplatz 4 in Düsseldorf. Bisher unbekannte private Fotos aus dem Wohnatelier von Joseph Beuys sind erstmals in einem Fotoband veröffentlicht worden.

Foto: Eva Beuys Schirmer Mosel

Düsseldorf. Joseph Beuys war einer der meistfotografierten Künstler seiner Zeit, ein öffentlicher Universalkünstler und Kunstprofessor. Erstmals hat seine Frau Eva nun Fotos aus dem privaten Künstlerhaushalt der Familie Beuys am Drakeplatz in Düsseldorf veröffentlicht. Das Besondere: Auf keiner Abbildungen in dem Fotoband „Beuys Düsseldorf-Oberkassel Drakeplatz 4“ ist Joseph Beuys selbst zu sehen. Und dennoch vermittelt das Buch mehr als eine Ausstellung die Schaffenskraft des Künstlers, der mit Filz und Fett berühmt wurde.

1961 bezogen Eva und Joseph Beuys (1921-1986) im Stadtteil Oberkassel den Atelierraum - „Beuys mit seinem Lederkoffer, ich mit einem kleinen Korb meiner Großmutter“, schreibt Eva Beuys in ihren Anmerkungen über den kargen Haushalt. Zuvor hatten sie zwei Jahre in Eva Beuys' Studentenzimmer gewohnt - mit einem einzigen Wasserglas für beide, das später als Vase diente.

Das neue „große Zimmer“ am Drakeplatz mit fünf Meter hoher Decke „war privat und offiziell zugleich“, schreibt Eva Beuys. Ihr Mann strich es weiß, Fußleisten gab es nicht, und natürlich war in einer Ecke eine Fettecke angebracht, die zum Markenzeichen von Beuys werden sollte. Die Kinder Wenzel und Jessyka wurden geboren, und es kamen weitere Wohnräume, Kinderzimmer und Bad hinzu sowie ein Raum, den nur Beuys betrat und dort arbeitete.

Bis 1975 lebte und arbeitete Beuys am Drakeplatz. Seine Frau Eva fotografierte das Familien- und Künstlerleben mit einer altmodischen Plattenkamera in schwarz-weiß - Rollfilme mochte Beuys nicht. Er glaubte, dass seine Werke darunter litten, wenn sie für kurze Zeit gerollt würden, schreibt Eva Beuys. Die Fotos zeigen eines: Kunst, Leben, Familie, Arbeiten - alles gehörte bei Beuys zusammen. Bis heute sei ihm in Erinnerung geblieben, dass die beiden kleinen Kinder und auch Ehefrau Eva den Künstler immer mit „Beuys“ anredeten, schreibt der Verleger Lothar Schirmer, der Beuys zum ersten Mal 1965 am Drakeplatz besuchte, im Vorwort. Außerdem habe Beuys auch in der Wohnung immer den Hut getragen.

Ein nadelloser Weihnachtsbaum mit dürren Ästen steht ab Ende 1961 anfangs wohl monatelang in der Mitte des Zimmers. Die Kinder umkreisten wie selbstverständlich die auf dem Boden liegenden Tannennadeln. Auf einem weiteren Foto ist zu sehen, wie der kleine Wenzel tief und fest auf einer Matratze am Boden schläft, mit einem Fell bedeckt. Papa Beuys malte für die Kinder mit Kreide zwei Vögel, einen Fisch und eine Ziege auf den Boden und arrangierte die passenden Tierschädel dazu. Feinste Fisch- oder Hasenzähne, Hasenschädel, Kieferknochen, all das „war Teil seiner Sammlung solcher anatomischer Details“, schreibt Eva Beuys.

Jessyka und Wenzel jedenfalls fanden die Knöchelchen augenscheinlich höchst faszinierend und begutachteten sie genau. Schon am Drakeplatz werden Fettplastiken, Filz oder „Thor's Hammer“ arrangiert wie in Ausstellungen. Bis ins kleinste Detail erinnert sich Eva Beuys an die Bedeutung eines jeden Objekts - und sei es, dass die Fettecke im Zimmer ihrer Meinung nach aus „Palmin“ gefertigt war.

Auch die privaten Gegenstände beschreibt sie genau: Das Tafelklavier hatten ihre Eltern 1959 Beuys zur Hochzeit geschenkt. Die Nähmaschine auf dem Kindertisch war das Hochzeitsgeschenk von Beuys' Mutter an ihre Schwiegertochter. Das Kinderstühlchen hatten Evas Eltern aus Spanien mitgebracht. Viele Objekte aus dem Hausstand im „großen Zimmer“ machte Beuys zu Kunst, und später tauchen sie in Ausstellungen und Sammlungen der großen Museen der Welt wieder auf.

Der obere Teil des Herdes wird laut Eva Beuys 1964 Teil einer „Wärmeplastik“ und gelangt später in Museen nach München und Darmstadt. Sogar der Stamm des Weihnachtsbaums von 1961 findet Jahre später Verwendung als Teil des Kunstwerks „Gundfana des Westens - Dschingis Khans Flagge“. Wenn er auch nicht zu sehen ist, so kommt Beuys zumindest am Anfang des Buches in einem Interview von 1966 selbst zu Wort. Ein Schlüsselsatz: „Natürlich produziere ich ohne Veranlassung Sinn.“