Ein Orden für Imi Knoebels Farbgewitter
Die Fenster des Düsseldorfer Künstlers für die Kathedrale von Reims sind nun Frankreichs nationales Kulturgut. Das deutsche Militär hatte die Kirche im Ersten Weltkrieg zerstört.
Düsseldorf. Imi Knoebel gilt als Weltmeister der Farbe. Niemand analysiert so genau wie er das Licht im Raum, um es in abstrakten Kompositionen auszuführen. In den Glasfenstern der Krönungskapelle von Reims feiert seine Kunst ihren Höhepunkt. Sein Farbspektrum entfaltet eine fast überirdische Leuchtkraft und Energie. In diesem Dom, der im Ersten Weltkrieg von den Deutschen zu 60 Prozent zerbombt wurde und vor dem sich der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle 1962 die Hand reichten, schuf er Weltkunst.
Am Samstag verlieh ihm der französische Botschafter Philippe Etienne den Orden „des Arts et des Lettres“ (Kunst und Literatur). Der neue Ordens-Offizier hatte auf ein Künstlerhonorar verzichtet.
Die Ordensverleihung war kein Staatsakt wie die offizielle Übergabe der Fenster in Reims, wo die Außenminister Laurent Fabius und Frank-Walter Steinmeier als Schirmherren und Paten fungierten. Im Düsseldorfer Haus der Stiftungen war es eine sehr persönliche, familiäre Feier im Kreis von Freunden und Kindern.
Dennoch war auch dieser Ort im ehemaligen Offizierskasino des größten wilhelminischen Kasernen-Areals des Rheinlands symbolträchtig. Darauf verwies die Generalsekretärin der Kulturstiftung NRW, Ursula Sinnreich, in ihrer Eröffnungsrede. Im Ersten Weltkrieg speisten dort Offiziere, um anschließend gegen den sogenannten deutschen Erzfeind Frankreich zu ziehen. Als die französische Armee 1921 Düsseldorf besetzte, folgten auf die deutschen Soldaten französische, die das Haus als Operationsbasis für ihre „Ruhrinvasion“ nahmen, um die in den Versailler Verträgen vereinbarten deutschen Reparationsleistungen sicherzustellen.
Dass der französische Botschafter Philippe Etienne ausgerechnet hier einen deutschen Künstler für ein Engagement auszeichnete, war dem Organisationstalent von Ursula Sinnreich und Laurent Innocenzi aus Reims zu verdanken, denen es im Verbund mit dem Auswärtigen Amt, dem Ministerium Champagne-Ardenne und der Kunststiftung NRW nach einjährigen Verhandlungen gelang, dass der französische Staat als Eigentümer der Kathedrale Knoebels Geschenk auch annahm. Das ist keineswegs selbstverständlich. Stiftung und Auswärtiges Amt trugen die Ausführungskosten von knapp zwei Millionen Euro.
Imi Knoebels Ausgestaltung der drei letzten Fenster in Reims ist eine Antwort auf seinen Auftrag für sechs Fenster, den er zuvor vom französischen Staat erhalten hatte. Mit den neun Fenstern im Kapellenrund sei „das Werk vollendet“, meinte er. Und Karl Heinz Traut lächelte, denn der Fachmann hatte die Gläser nach den digitalen Farbentwürfen des Künstlers in Glas geschnitten, gefertigt und in Form gebracht.
Die Dankesreden des Botschafters und der Generalsekretärin waren voller Empathie. Umgeben vom Blumenschmuck in den französischen Nationalfarben nannte Philippe Etienne Knoebels Werk ein „Wahrzeichen der Versöhnung zwischen den beiden Nationen“. Seine Fenster seien eine Erfahrung für jeden, „der die Schönheit als einen Zugewinn für sein persönliches Glück aufnehmen kann, um seinen Geist zu neuen Ufern schweben zu lassen.“
Er fand ebenfalls freundliche Worte für die Landeshauptstadt Düsseldorf, die gerade ihr Frankreich-Fest durchgeführt hatte. Sie sei die „heimliche Hauptstadt der deutsch-französischen Freundschaft“.
Ursula Sinnreich machte zugleich deutlich, dass die Fenster durch ihren Einbau in die Kathedrale von Reims zum nationalen Kulturgut Frankreichs geworden sind. Mit der Annahme des Geschenks habe Frankreich „auf immer ein Zeichen gesetzt für den Frieden, die Gemeinsamkeit und die respektvolle Verständigung der Völker.“
Imi Knoebel verbeugte sich, den Orden an der Brust, und rief aus: „Es lebe Europa. Vive la France.“