Georg Baselitz zieht Dauerleihgaben aus Museen ab

Dresden/München/Chemnitz (dpa) - Vor dem Hintergrund des geplanten umstrittenen Kulturgutschutzgesetzes holt der Maler und Bildhauer Georg Baselitz seine Dauerleihgaben aus deutschen Museen.

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Damit verlieren die Pinakothek der Moderne München, das Dresdner Albertinum und die Kunstsammlungen Chemnitz wichtige Werke des bedeutenden Gegenwartskünstlers. Der 77-Jährige hatte die Museumschefs am Freitag informiert, unter ausdrücklichem Bezug auf das Gesetz, mit dem Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) unter anderem die Ausfuhrbeschränkungen für Kunstwerke verschärfen will. Für sie ist der Schritt des Künstlers nicht nachvollziehbar.

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) werden neun Gemälde und eine Skulptur des aus Sachsen stammenden Baselitz in den nächsten Tagen zurückschicken. „Es ist ein schwerer Verlust der Gegenwartskunst, den wir auch erstmal nicht ausgleichen können“, sagte Generaldirektor Hartwig Fischer am Montag. Der Künstler habe ihn persönlich informiert, dass er seine Dauerleihgaben zurückhaben möchte. „Diesem Wunsch werden wir so schnell wie möglich entsprechen.“ Die Abhängung wird bereits geplant. Damit ist auch der separate Baselitz-Saal im Albertinum Geschichte. „Der Raum wird so nicht mehr weiter existieren“, sagte Fischer.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung den Schutz von Kulturgut neu regeln und auch an EU-Recht anpassen. Damit sollen unter anderem die Ausfuhrbeschränkungen verschärft werden. Ziel sei, „mit eindeutigen Ein- und Ausfuhrregelungen sowie mit klaren Sorgfaltspflichten beim Erwerb von Kulturgut auch den Kunsthandelsstandort Deutschland zu stärken“, heißt es auf der Website der Staatsministerin.

Baselitz' Kündigungen der Leihverträge seien nicht nachvollziehbar, sagte ein Grütters-Sprecher in Berlin. Bisher sei keine Arbeit von ihm auf eine Liste national wertvollen Kulturguts eingetragen. „Auch das neue Gesetz ändert daran nichts.“ Damit würden künftig Sammlungen in öffentlichen Museen unter Schutz gestellt. Auch dortige Leihgaben aus privater Hand sollen geschützt werden, solange der Leihvertrag besteht. „Dies können die Museen bei Bedarf mit dem Leihgeber auch anders vereinbaren.“

Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) zeigte sich von Baselitz' Ansinnen, seine Dauerleihgaben abzuziehen, „schockiert“. Sie sprach von einem großen künstlerischen Verlust und appellierte, den konkreten Text des Kulturgutschutzgesetzes der Bundesregierung abzuwarten und dann zu beurteilen. Da kein offizieller Gesetzentwurf vorliege, seien „überzogene Reaktionen nicht angebracht“. Sie hoffe, dass dem Beispiel Baselitz „keine weiteren Künstler folgen“.

Vom Kunsthandel und von Sammlern kommen teils vehemente Proteste. Das Gesetz sei „der beispiellose Versuch, dem Staat den Zugriff auf alle jene Arbeiten mit leichter Hand und wenig Geld zu ermöglichen, die er - aus welchen Gründen auch immer - dem öffentlichen Besitz einverleiben will“, schrieb der Berliner Kunstexperte Peter Raue am Montag im „Tagesspiegel“.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München bedauerten den angekündigten Abzug von fünf Baselitz-Bildern „außerordentlich“, zumal sie sich für deren Präsentation in der Öffentlichkeit mit großem Nachdruck engagierten. Die Gemälde ergänzten die bestehende Sammlung der Pinakothek der Moderne auf hervorragende Weise. In den Kunstsammlungen Chemnitz sind zwei seiner Gemälde betroffen. Direktorin Ingrid Mössinger war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Sie wolle sicher auch erst einmal mit dem Maler reden, sagte eine Sprecherin.

„Das Beispiel wird Schule machen“, sagte der Berliner Kunsthändler und Galerist Michael Haas unter Verweis auf zahlreiche Anrufe von Sammlern. „Sie werden keine Kunstwerke mehr nach Deutschland holen.“ Deutschlands berühmtester Maler Gerhard Richter will erst einmal abwarten, was aus dem Gesetzesvorhaben wird. „Er ist aber froh, dass das Thema auf dem Tisch ist“, sagte Dietmar Elger, Leiter des Gerhard Richter Archivs. Auch der Kunsthistoriker hat bei manchen Punkten des Gesetzentwurfs Bedenken. Aber die Erfahrung lehre, dass es oft nicht so komme wie geplant. Wenn doch, wäre das „tatsächlich eine ziemliche Katastrophe“.

Der Berliner Kunstexperte Raue erklärte, das geplante Gesetz lege auch dem Handel in „beängstigender“ Weise Ketten an, müssten Auktionshäuser und Galeristen doch Unterlagen über Einlieferer, Prüfung der Herkunft, Käufer und Preise anfertigen. Er forderte Grütters auf, das Gesetz zu „entgiften“, damit es „den Kunsthandel und die Freude am privaten Kulturbesitz nicht verdirbt“. Es schade Deutschland als Kunsthandelsplatz, verunsichere private Sammler und schaffe einen erschreckenden bürokratischen Apparat. Für Galerist Haas ist es realitätsfern, „überhaupt nicht durchdacht“ und verfassungswidrig. „In letzter Konsequenz geht es um Enteignung.“