Kunstmesse Art Basel für Millionäre und Talente
Basel (dpa) - Kunst ist natürlich auch wichtig bei der wichtigsten Kunstmesse der Welt. Aber noch wichtiger als Kunst ist Kommerz. Sonst wäre die Art Basel schließlich nur eine Ausstellung wie so viele andere.
Was mag dem traurig vor sich hinblickenden Wachmann vor dem teuersten Werk der Art Basel durch den Kopf gehen? Eine Rechenaufgabe vielleicht? Wie viele Jahre müsste er arbeiten, um sich das Bild von Mark Rothko kaufen zu können, auf das er achtgibt? Es wären mindestens 2000. Willkommen auf der bedeutendsten Messe der Welt für moderne und zeitgenössische Kunst.
„Es ist wunderbar, der Kunstmarkt brummt mehr denn je“, sagt Sarah Goulet von der New Yorker Pace Gallery. „Die Nachfrage ist fantastisch!“ Ihre Freude über die Umsatzentwicklung wird vom Stimmengewirr in den Dutzenden von Kajüten der einflussreichsten Kunsthändler der Welt auf dem Basler Messegelände untermalt.
Eben hat Pace ein Werk des Malers Gerhard Richter (80) verkauft, das als eines der teuersten der 43. Art Basel galt. In „Nullkommanichts“, wie Goulet sagt. Der geforderte Preis für das 1986 entstandene abstrakte Großgemälde „A.B. Courbet“: 25 Millionen Dollar (20 Millionen Euro).
Ob der „private Käufer“ tatsächlich diese Summe auf seinen Scheck geschrieben hat oder eine deutliche geringere, bleibt geheim. „Diskretion und Kunsthandel halten zusammen wie Pech und Schwefel“, sagt eine deutsche Galeristin, die das Geschäft gut kennt, aber nicht namentlich genannt werden will. „Hinzu kommt oft eine Portion Marketingkunst.“
Die wird gern Galeristen unterstellt, die mit den teuersten Werken aufwarten. An der Spitze diesmal das monochromatische Gemälde „Untitled, 1954“ des lettisch-amerikanischen Künstlers Mark Rothko (1903-1970). „Wir verzeichnen rege Nachfrage“, heißt es bei der Galerie Marlborough, die das diesjährige Basel-Preisprunkstück anbietet. „Vermutlich“, sagt die deutsche Galeristin, „wird er erst nach der Messe verkauft werden; und dann zu einem Preis, der nie an die Öffentlichkeit kommt.“
„Psychologie spielt für das Marktverhalten eine große Rolle“, weiß Daniel Blau. Der Besitzer der gleichnamigen Münchner und Londoner Galerie wartet in der Kunststadt am Rheinknie mit echten Perlen auf: Mehr als 40 frühe Zeichnungen von Andy Warhol (1928-1987). Die Entdeckung der Schwarz-Weiß-Werke in einem bis dahin kaum beachteten Teil des Warhol-Nachlasses in New York galt als Sensation.
Blau zögerte nicht lange und ging in Vorkasse. Eine Investition, die er nicht bereuen muss, wie die enorme Nachfrage nach den Zeichnungen - von feinen Klavier spielenden Händen bis zu größeren Porträts - deutlich macht: Sie kosten zwischen 20 000 und 60 000 Euro und gehen offenbar weg wie warme Semmeln.
Die erneut gestiegene Nachfrage nach Warhols, Richters und vielen anderen Werken von Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts wundert Blau nicht: „Ich würde Geld lieber in Kunst als in Aktien anlegen, erst recht aber in Zeiten weltweiter Schuldenkrisen“, sagt er. „Der Wert einer Aktie kann zu nichts verdampfen. An einem Kunstwerk kann ich mich auch nach Jahren noch erfreuen.“
Kommerz mit Herz sozusagen. Gerade weil die Basler Kunstmesse „rein kommerziell“ ausgerichtet ist, habe sie gegenüber „all den kuratierten Großevents in Kassel, Venedig oder Berlin“ einen Vorteil, konstatierte die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ): „Sie kann es sich leisten, auf jeglichen kunstphilosophischen Überbau zu verzichten.“
Auch ohne „theorielastigen Wasserkopf“ (NZZ) leistet sich die Art Basel allerdings jedes Jahr Sektoren, die - wenn überhaupt - erst in vielen Jahren und mit einigem Glück profitabel werden: Von Art Unlimited mit gewagten Großinstallationen bis zu Art Statements mit Einzelausstellungen noch unbekannter Künstler können sich junge und experimentierfreudige Talente zeigen und erproben.
Doch jenseits solcher Spielwiesen herrscht im Hauptteil des prosaischen Basler Messegeländes eine Atmosphärenmixtur aus Gediegenheit und Börsenhektik. Immer wieder wird von „Blue Chips“ gesprochen, wie bei Börsianern. Gemeint sind Kunststars wie Warhol, Picasso, Rothko oder Richter, über die Kritiker längst „dauerhaft geltende Urteile“ in kunstgeschichtlichen Werken abgegeben haben.
„Da kann man nichts falsch machen“, sagt die deutsche Galeristin. „Weitaus mehr lässt sich unter Umständen zwar mit den Jungen verdienen, die gerade dabei sind, sich einen Namen zu machen - allerdings ist es auch da wie an der Börse: Das Risiko ist unvergleichlich größer.“