Multitalent der Moderne: Man Ray vor 125 Jahren geboren

New York (dpa) - Jahrzehnte alte Autos parken vor einem Reparaturbetrieb, auf dem in altmodischen blauen und roten Buchstaben „AutoMat Co. Inc.“ geschrieben steht. Auf den ersten Blick wirkt das Autohaus fast verwaist - und doch wird genau von hier aus der Nachlass von Man Ray verwaltet

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Nur rund 50 Kilometer ist der Ort Hicksville auf Long Island, wo das Autohaus steht von der Millionenmetropole New York entfernt. Doch an der Hazel Street scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

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Man Ray gilt als einer der Wegbereiter der Moderne und war seiner Zeit stets voraus: Man Ray war Fotograf und ein künstlerisches Multitalent. Geboren wurde er 1890 in der US-Ostküstenmetropole Philadelphia, er starb 1976 in Paris. Am Donnerstag (27.8.) ist sein Geburtstag 125 Jahre her.

Wie der Nachlass eines modernen Künstlers, der sich in seiner Wahlheimat Frankreich so viel wohler fühlte als in seinem Geburtsland, in ein Autohaus auf Long Island kam, ist eine Geschichte, die für viele Beteiligten nicht nur positive Seiten hat.

Allen voran: Eric Browner. Er gründete das Autohaus 1956. Seine Schwester Juliet heiratete 1946 Man Ray und gründete nach dessen Tod die Stiftung „Man Ray Trust“, die sich um den Nachlass des Künstlers kümmert. 1991 starb Juliet und wurde neben Man Ray auf dem Pariser Friedhof Montparnasse beigesetzt. Die Stiftung - und mit ihr viele Originalwerke und Urheberrechte - fiel in die Hände des Bruders und Autohausbesitzers Eric Browner.

Zwei unabhängige Gutachter schätzen den Wert der Sammlung mit mehr als 4000 Werken auf 20 Millionen Dollar (etwa 17,6 Millionen Euro), wie Browner schreibt, der auf die 90 zugeht und das Autohaus inzwischen seinem Sohn übergeben hat, und die meiste Zeit des Jahres in Florida verbringt, in einer E-Mail an die Deutsche Presse-Agentur.

Immer wieder werden Teile der Sammlung zum Verkauf angeboten. Außerdem verwalte die Stiftung mehr als 25 000 Rechte an Werken von Man Ray, die noch bis 2046 geschützt seien, schreibt Browner.

Die Werke, die nun im Autohaus der Browners auf Long Island lagern, waren einst Wegbereiter der Moderne. Man Ray, Sohn russisch-jüdischer Einwanderer, der in New York Architektur, Ingenieurwissenschaften und Kunst studierte und in den 1920er Jahren in Paris die Fotografie für sich entdeckte, war ein genialer Experimentator und Provokateur, der sich zum Maler berufen fühlte und darunter litt, dass er nur als Fotograf weltberühmt wurde.

Viele Größen der Pariser Szene posierten für ihn, von Coco Chanel über Marcel Proust bis hin zu Pablo Picasso. Außerdem malte Man Ray, der als Emmanuel Radnitzky geboren war, filmte und arbeitete als Objektkünstler. Nachfolger und Kollegen wie Alexander Calder und Christo ließen sich von ihm inspirieren. Der Dichter Jean Cocteau bezeichnete ihn einmal als „großen Poet der Dunkelkammer“.

Nachlass-Verwalter Browner will zu seinem berühmten Schwager, den er nur selten persönlich getroffen hat, öffentlich gar nichts mehr sagen, denn auf Journalisten und Medien ist er sauer. Als Hinterwäldler, die nichts von Kunst verstehen und wertvolle Man-Ray-Werke in einem Autohaus aufbewahrten, seien er und seine Familie porträtiert worden - was absolut nicht der Wahrheit entspreche. Interviews verweigere er seitdem.

Eines will er aber doch noch klarstellen: „Das Hauptquartier der Man-Ray-Stiftung und ihrer Sammlung ist im größten Restaurierungszentrum des Ostens der USA beherbergt. Dort wird die Kunst in zwölf großen Stahlkammern aufbewahrt. In einem feuergeschützten, temperaturregulierten Raum von Museums-Qualität.“