Turner Preis geht an Martin Boyce
London (dpa) - Spätestens die Künstlerin Tracey Emin hat mit ihrem samt dreckiger Unterwäsche ausgestellten Bett den britischen Turner Preis weltberühmt gemacht. In diesem Jahr geht er an Martin Boyce für eine Parklandschaft im Raum.
Mit seiner abstrakten Indoor-Parklandschaft galt Martin Boyce als Favorit für den diesjährigen Turner Preis - am Montagabend verkündete Starfotograf Mario Testino, dass sich die Kenner nicht geirrt hatten. Die mit 25 000 Pfund (29 200 Euro) dotierte Auszeichnung ging an den in Glasgow ansässigen Künstler und damit bereits zum dritten Mal in Folge an einen Schotten.
Der 44-Jährige war mit einer Installation ins Rennen gegangen, in der sich unter anderem ein abgeschrägter Mülleimer, eine Tisch-Konstruktion und Blätter aus Papier an strahlend-weißen Säulen zu einer Art Park im Raum oder urbaner Oase zusammenfügen („Perforated and Porous (Northern Skies)“, etwa: „Löchrig und Porös (Nordhimmel)“).
Die Arbeit von Boyce ist nach eigenen Angaben von modernistischen Bäumen aus Beton aus dem Jahr 1925 von den Bildhauern und Designern Jan und Joël Martel inspiriert. „Es geht ebenso sehr um Raum und den Raum zwischen den Skulpturen wie um die Skulpturen selber“, sagte Boyce. „Natürlich muss ich (diese Kunstwerke) herstellen, aber ich will, dass das Publikum das Gefühl hat, sie gefunden zu haben.“ In seiner Dankesrede forderte er auch, dass Bildung weiterhin frei und Zugang zu Kunst für jeden möglich sein müsse.
Die Jury lobte seinen „bahnbrechenden Beitrag zum derzeitigen Interesse, das zeitgenössische Künstler in die historische Moderne haben“. Gleichzeitig entwickle er neue Richtungen „innerhalb desselben Vokabulars“. Das Werk bestätige die Kontinuität seiner Arbeit und eröffne gleichzeitig einen neuen Sinn für Poesie. „Boyce' Installation ist zugleich im Raum und außerhalb“, erklärte der Kunstkritiker der Zeitung „Independent“, Charles Darwent. „Die Gestaltung ist theatralisch, wie das Setting für eine brutale Produktion des (Theaterstücks) "Kirschgarten".“
Der Preis wurde in diesem Jahr erst zum zweiten Mal in seiner 27-jährigen Geschichte außerhalb von London, im nordenglischen Gateshead vergeben. Die drei weiteren Nominierten - Karla Black, Hilary Lloyd und George Shaw - bekamen jeweils 5000 Pfund.
In den vergangenen sechs Wochen hatten rund 120 000 Menschen die gemeinsame Ausstellung der vier Nominierten besucht. Black zeigte eine riesige Skulptur aus Materialien wie Cellophan, Cremes, Nagellack und Badekugeln. Lloyd präsentierte ihre Videoinstallationen, in denen sie unter anderem mehrere, schnell wechselnde Bilder zu einem einzigen vereint. Shaw malt mit einfachen Lackfarben realistische Landschaftsbilder, die die heruntergekommene Wohngegend seiner Jugend zeigen.
Der Turner Preis wird seit 1984 vergeben und gilt als der wichtigste Preis für zeitgenössische Kunst in Großbritannien. Zu den früheren Preisträgern gehören Gilbert & George, Damien Hirst und Antony Gormley.
Die live im Fernsehen übertragene Bekanntgabe des Preisträgers wurde kurz gestört, als ein in einen rosa Ballettrock gehüllter Mann versuchte, die Bühne zu erreichen. Er wurde von Sicherheitsleuten herausgeführt.