Tefaf Maastricht Wo die Superreichen shoppen gehen
Bei der Tefaf Maastricht wartet wieder Kunst aus 7000 Jahren auf Liebhaber und Spekulanten aus der ganzen Welt.
Maastricht. Eine Porzellandose in Form einer Melone zur stilvollen Aufbewahrung von Pralinen — solche Mitbringsel bietet The European Fine Art Fair, kurz Tefaf, in Maastricht zuhauf. Allerdings ist damit durchweg ein kleines Problemchen verbunden: Das Teil von 1760 aus der Manufaktur Delft kostet im Stand von Aronson Antiquairs Amsterdam mal eben 28 000 Euro.
Aber gewiss wird sich auch hier ein Liebhaber mit entsprechenden Mitteln im Kreuz finden — das lassen allein die edlen Karossen ahnen, die bereits bei der Vorbesichtigung das Parkhaus des Kongresszentrums MECC anfüllten. Die Nummernschilder weisen aus, woher die Kundschaft auch dieses Mal wieder stammt: Spanien, Frankreich, Großbritannien, Monaco — für die kunstsinnigen reichen Sammler der Welt ist kein Weg zu weit, um die bedeutendste Kunstmesse der Welt zu besuchen. Gar nicht erst zu reden von den am Airport Maastricht-Aachen mit ihren Privatjets einfliegenden Superreichen. Das sind regelmäßig über 300. Letztes Jahr kamen insgesamt 75 000 Besucher aus 60 Ländern. Kein Wunder — treffen sie hier doch auf die renommiertesten Kunsthändler mit den weltweit besten Preziosen aus 7000 Jahren Kunstgeschichte
Seit über 20 Jahren nimmt die Galerie Neuse aus Bremen, namentlich Achim Neuse, an der Tefaf teil. „Das ist einfach ein internationaler, gut organisierter Marktplatz“, sagt er. „Die Leute kommen von überall her. Eben war einer aus Russland da.“ Die hohe Qualität der Objekte lockt sie alle, aus Kalifornien und Südamerika, Japan und China, dem Mittleren und dem Fernen Osten — allein 150 Experten aller Disziplinen beschäftigt die Tefaf, um jedes einzelne Stück zu begutachten. Und das sind Zigtausende.
Die Galerie Neuse hat diesmal ein herausragendes Gemälde im Angebot: Die „Dornenkrönung Christi“ von Hans von Aachen, entstanden in Venedig 1585/86. „Das ist eher etwas für ein Museum“, sagt Achim Neuse. „Allein wegen des Formats.“ 1,60 mal 1,24 Meter misst das Bild. „Viel zu groß, um es im Wohnzimmer aufzuhängen.“ Hans von Aachen malte es für den Kaufmann Francesco Vrients aus Maastricht, der seit 1573 in Venedig ansässig war. Ein Privatsammler hat sich von dem guten Stück getrennt — warum, mag der diskrete Händler nicht verraten. Jedenfalls war dem Herrn offensichtlich das Bare fürs Rare auf einmal wichtiger. Der Preis: 1,75 Millionen Euro.
Doch der Bremer Händler macht den Freunden von altem Kunstgewerbe durchaus Hoffnung: „Insgesamt sind die Preise für Antiquitäten gesunken“, sagt er. „Wer wirklich Spaß daran findet, der kann heute eine ehrliche Antiquität zu einem moderaten Preis erwerben.“
Für Objekte der ersten Kategorie, zumal bei alten Meistern, gilt der Trend sinkender Preise allerdings nicht. Ein Frans Hals ist auf der Tefaf nicht unter 14 Millionen zu haben. An der „Sea Food Bar“, gleich links vom Eingang, kann man sich bei Champagner und Fruits de Mer darüber hinwegtrösten. Ist allerdings auch nicht ganz billig: das Glas Schampus zu 15 Euro, die Krusten- und Wabbeltiere für zwei Personen für 55 Euro. Der halbe Hummer kostet 24,50 — ein Schnäppchen gegenüber zehn Gramm Kaviar für 29,80 Euro. Aber auch an dieser Theke gilt die alte Weisheit: Irgendwer hat immer Geld.
Gleich neben der „Sea Food Bar“ treffen wir Walter Senger. Seine Familie betreibt seit über 40 Jahren einen Kunsthandel in Bamberg. Sein Stand gleicht selbst einem Museum — er platzt aus allen Nähten vor mittelalterlichen Skulpturen. Ein siegreicher heiliger Georg, gut anderthalb Meter hoch, soll 68 000 Euro kosten.
„Meine Kunden sind meistens Männer über 60“, wundert sich der Händler über die unübersehbare Häufung älterer Herren mit Faible für sakrale Kunst. „Vielleicht haben die früher als Ministranten gedient und wollen sich heute wieder an die Zeit erinnern“, vermutet er und meint das wohl nicht ganz ernst.
Sicher ist für ihn jedenfalls eins: „Die Qualität alter Kunst überlebt alles, bei neuer muss sich das erst noch zeigen.“ Käufer moderner Kunst, da ist sich Senger sicher, „sind zu 80 Prozent Spekulanten“, die auf steigende Preise setzen „und dabei ganz schön baden gehen können. Unsere Kunden dagegen kaufen alte Kunst nicht als Geldanlage, sondern mit Herz und Seele. Nehmen Sie nur mal ein Bild von Nolde, das kostet 300 000 Euro und ist so groß wie Ihr Blatt Papier. Das steht doch in keinem Verhältnis! Oder ein Schwein, das mit Acryl ausgegossen und dann zerschnitten wird. Der Galerist, der so etwas verkauft, der ist der eigentliche Künstler. Je verrückter, desto teurer.“
So wundert den Bamberger Galeristen auch nicht, dass vor allem moderne Kunst in die Auktionen kommt, die Spitzenpreise aber aktuell nicht mehr zu erzielen sind, wie der Kunstmarktbericht der Tefaf gerade ausgewiesen hat. „Bei der guten alten Ware wächst nichts mehr nach, darum gehen die Versteigerer auf produzierbare Ware über.“
Senger erwartet hier auf Dauer eine „Marktbereinigung“. Die sinkenden Preise und der weltweite Rückgang der Auktionen um 19 Prozent könnten ein erstes Anzeichen sein.
Burmesische Rubine gehen dagegen immer, zumal wenn sie das Label Cartier tragen. Ein weiblicher Hals könnte eine solche Verschönerung bei S. J. Phillips erfahren mit einem diamantenbesetzten Stück aus dem Jahr 1930. Das Hindernis liegt lediglich in den 4,2 Millionen britischen Pfund, die der Händler dafür verlangt.
Erleuchtung mag erfahren, wer beim Stand 102 Vanderven Oriental Art einen monumentalen Buddha aus China — frühe Ming-Dynastie — für eine Million Euro erwirbt. Dafür erhält der Liebhaber dann aber auch eine seltene Besonderheit: Der Buddha sitzt in der Padmasana-Lotusposition und mit den Händen im Dhyana-Mudra — eine Geste der vollkommenen inneren Balance. Wenn das den Preis nicht wert ist . . .