Zurbarán, der Maler spricht zum Herrn

Das Museum Kunstpalast in Düsseldorf zeigt die erste Retrospektive des großen spanischen Barockmalers im deutschsprachigen Raum.

Foto: smkp

Düsseldorf. Am Freitag eröffnet Königin Letizia von Spanien im Museum Kunstpalast die Ausstellung des barocken Malers Francisco de Zurbarán (1598-1664), neben Velazquez der herausragende Vertreter des Goldenen Zeitalters in Spanien.

Im Gegensatz zu den theatralischen Gesten seiner barocken Kollegen ist sein Stil streng, fast eingefroren, und doch von faszinierender Innigkeit und Farbgewalt. Keinem gelingt das Crossover zwischen Heiligkeit und Realität, zwischen dem schlafenden Mädchen und der Maria, zwischen dem Lammbock und dem Lamm Gottes so spielend wie ihm. Die erste Retrospektive im deutschsprachigen Raum ist eine Sensation, denn das Heilige wird hier real.

Er malt keine Prototypen aus der katholischen Gegenreformation, sondern junge, elegant gekleidete Damen aus dem reichen Sevilla, drapiert mit üppiger Seide und Brokatstickerei und doch zugleich entrückende Wesen. Dazu gehören die vielen Dominikanermönche, die 1627 ihren Orden nach Sevilla verlegten, wo sich Zurbarán im Jahr zuvor niedergelassen hatte. Das Museum Kunstpalast besitzt ein kapitales Werk eines betenden Mönchs in der Kapuzenkutte, vom außerirdischen Licht erleuchtet, die zerfledderte Bibel neben sich.

Dieser Künstler, dem zwei von drei Ehefrauen starben, der für zehn Kinder sorgen musste, wenn sie nicht schon vor ihm starben, konnte im Zeitalter der Pest nur durch den Glauben überleben. Dennoch malt er das blühende Leben. Sein Jesus ist jung und von engelsgleicher Schönheit.

Er beäugt seinen Zeigefinger, der von einem Stachel aus der Dornenkrone auf seinem Schoß gestochen wurde. Seine Mutter ist ein schlafendes Kind mit roten Bäckchen, mit träumender Unschuldsmiene. Im Schlaf betet es sich am einfachsten, scheint der Maler sagen zu wollen.

Generalintendant Beat Wismer hat die Schau zweieinhalb Jahre lang erarbeitet, in Kooperation mit den wichtigsten Museen der Welt. Er führt eine kluge Regie in der Hängung. Immer gibt es Verweise von einem Bild zum nächsten, einem Höhepunkt zum anderen. Er schwärmt von diesem viel zu wenig bekannten Maler.

Er sei für ihn ein „Traum“. Er liebt seine Gegenwärtigkeit, entdeckt den kühnen Bogen vom Barock in die Kunst der Gegenwart. Das belegt er gleich im Eingang mit einem Bild im Bild. Zurbarán malt einen Dominikaner-Mönch, dem die drei Jungfrauen Maria, Maria Magdalena und Katharina erscheinen. Sie präsentieren ihm eine ungerahmte Leinwand mit einem Dominikus.

Immer wieder sind es die wechselnden Realitäten, die Zurbarán mit dem Surrealisten René Magritte verbinden. Dazu gehört das Motiv des Schafs. Anfangs fesselt es durch sein wolliges Fell mit den Ringellocken. Man möchte in das so plastisch erscheinende Fell fassen. Doch eines der Tiere trägt einen Nimbus, ist das Lamm Gottes. Der Übergang vom Naturalismus in die Transzendenz geschieht fast unmerklich.

Ein Werk aber ist so grandios, dass Beat Wismer behauptet, es sei „einmalig auf der ganzen Welt“. Ausgangspunkt ist das Motiv des Gekreuzigten. In der ersten Variante verkörpert das Gemälde das sonore Pathos des spanischen Barocks, wäre da nicht Johannes der Täufer mit seiner Hakennase und den lebendigen Augen. Und wäre da nicht über dem Kruzifix der kecke Zettel mit dem „Z f“ für Zurbarán fecit.

Ein paar Schritte davon entfernt hängt ein kleineres Format, wo die Figur des Johannes durch den Maler ersetzt ist. Er hält eine primitive Holzpalette in der Linken, bekreuzigt sich mit der Rechten und schaut so beherzt zum Herrn, dass der Gekreuzigte den Blick erwidert. Ein Selbstporträt des Künstlers? Das schüttere Haar und die eingefallenen Wangen deuten auf die letzten Lebensjahre Zurbaráns. Ergriffen blickt er zum Gekreuzigten.

Denn trotz all der Raffinessen und der virtuosen Farbigkeit seiner Bilder: Zurbarán war ein tiefgläubiger Mensch. Und ein stolzer Mann. Das Profil im Bild ähnelt dem des Johannes. Der Maler ist genau so ein Botschafter des Herrn wie der Prophet.