Alzheimer: Der Blick in die Glaskugel
Die Früherkennung von Alzheimer — ein Dilemma
Wer einmal auf der Demenzstation eines Altenheims war, den lassen die Bilder so schnell nicht wieder los. Besonders das Bild eines Menschen, den man ganz anders gekannt hat. Da kommen Gedanken wie: Ist das für ihn so schlimm, wie es auf mich wirkt? Oder: Wird das auch mein Schicksal sein? Wenn ja, will ich das jetzt schon wissen?
Er ist möglich, dieser Blick in die Glaskugel. Die Medizin arbeitet daran, dem Einzelnen schon vor Auftreten konkreter Symptome vorauszusagen, dass er die Krankheit in sich trägt. Angesichts der Tatsache, dass Heilung nicht möglich ist, erscheint dies als düstere Prognose.
Dennoch raten Experten, jedenfalls beim Auftreten erster Anzeichen, für Klarheit zu sorgen. Wegschauen hilft nicht, sagen sie. Sie weisen darauf hin, dass medizinische Hilfe, mit der die Krankheit zwar (noch) nicht geheilt, aber durchaus gelindert werden kann, bei frühem Einsatz besonders erfolgversprechend ist. Und Gefahren wie die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bleiben so nicht unentdeckt.
Auch kann frühzeitiges Wissen um die Krankheit für das soziale Beziehungsgeflecht wichtig sein. So lange der Betroffene noch in der Lage ist, kann er bei klarem Verstand alles regeln, was zu regeln ist.
Vorsorgen für den Tag X, ab dem das nicht mehr geht, ab dem er auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Das Haus altengerecht umbauen oder umziehen, Vollmachten erteilen, Weichen per Testament stellen. Und im Übrigen nach dem Motto „Carpe Diem“ leben: Nutze den Tag. Heute bewusst leben, sich noch etwas gönnen.
Doch es gibt auch das Recht auf Nicht-Wissen, das sogar wirtschaftlich wertvoll sein kann: Wer etwa eine Lebensversicherung abschließen will, dem wird die Diagnose im Vertragsgespräch eher schaden. Auch hat nicht jeder die Psyche, mit solch einer Perspektive klarzukommen. Und wird gerade dann, wenn er weiß, was ihn womöglich erwartet, die noch gesunde Lebenszeit nicht auskosten können.
Das ist menschlich. Doch auch wer die Frühdiagnostik für sich ablehnt, kann dennoch vorsorgen: Indem er alles so regelt, als wenn es so käme, wie es sich keiner wünscht. Und unabhängig von der Zukunft oder gerade mit Blick auf deren Ungewissheit nach der Lebenseinstellung leben: Nutze den Tag.