Meinung Chance verpasst - Grünes Licht für das „Gute-Kita-Gesetz“
Berlin · Mehr Qualität und weniger Gebühren. Dafür hat sich die Bundesfamilienministerin kräftig ins Zeug gelegt.
Gewissermaßen im Stundentakt gaben Bundestag und Bundesrat am Freitag grünes Licht für ihre Vorlage, auf dass die schöne neue Kita-Welt bereits zum 1. Januar erstrahlen kann. Eine einprägsame Wortschöpfung dafür ist auch gefunden: Franziska Giffey nennt es stolz das „Gute-Kita-Gesetz“. Nur ist ein Gesetz eben nicht schon deshalb gut, weil es so etikettiert wird.
Auch wenn die Qualität in den frühkindlichen Betreuungseinrichtungen zuletzt gestiegen ist, so sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern nach wie vor gravierend. Während sich zum Beispiel in Baden-Württemberg eine Erzieherin im Schnitt um etwa drei Kinder unter drei Jahren kümmert, hat ihre Kollegin in Mecklenburg-Vorpommern mehr als doppelt so viele zu betreuen. Man könnte nun annehmen, dass das „Gute-Kita-Gesetz“ für einheitliche Qualitätsstandards sorgt, also auch für verbindliche Betreuungsschlüssel. Schließlich darf es nicht vom Wohnort abhängen, ob die frühkindliche Bildung gelingt oder nicht. Doch weit gefehlt. Giffey hält derlei Standards zwar für wünschenswert. Aber die Zeit ist aus ihrer Sicht „noch nicht reif“ dafür. Das ist eine Kapitulation vor den Ländern. Und darunter leidet auch die Qualität ihres Gesetzes.
Den Ländern steht es nämlich frei, das Geld des Bundes in eine bessere Betreuung zu lenken, oder in eine Beitragsentlastung der Eltern. Ausgerechnet die SPD-dominerte Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat zum Beispiel schon angekündigt, die Gebühren im übernächsten Jahr auf Null zu fahren. Und das, obwohl man im bundesweiten Vergleich zu den Schusslichtern bei der Erzieher-Kind-Relation gehört. Ohnehin sind geringverdienende Eltern in Deutschland schon vielerorts von Gebühren befreit. Demnächst können auch Gutverdiener profitieren. Soziale Gerechtigkeit geht anders.
Fraglich ist auch, ob die immerhin 5,5 Milliarden Euro des Bundes tatsächlich allesamt in den Kita-Bereich fließen. Denn das Geld ist streng genommen nicht zweckgebunden. Gegen eine missbräuchliche Verwendung für andere Aufgaben kann Berlin kaum etwas ausrichten. Und es gibt noch ein weiteres Problem: Die zusätzlichen Bundesmittel sind nur bis zum Jahr 2022 gesichert. Zwar hat Giffey eine Anschlussfinanzierung versprochen. Doch diese Zusage ist ein Muster ohne Wert, weil es dafür keinerlei Vorkehrungen gibt. Wer jetzt mehr Erzieher einstellen will, der muss die Kosten aber auch schon über 2022 hinaus im Blick haben. Kein Wunder also, dass sich die Euphorie vieler Bundesländer über das neue Gesetz in Grenzen hält.
Eine zügige Verbesserung der Qualität in den Kitas ist daher kaum zu erwarten. Auch wenn die Vorlage im Schweinsgalopp verabschiedet wurde. Was nützt die Beitragsfreiheit, wenn die Betreuung mies ist? Hier hat Giffey die Chance verpasst, klare Prioritäten zu setzen und die Kitas wirklich gut zu machen.