Meinung Den Druck bekommt Jäger

Es ist eine unfassbare Geschichte. Ein 16-Jähriger radikalisiert sich, die Schule und verschiedene Behörden haben Kenntnis davon — und die Polizei in Gelsenkirchen macht nichts, als der entscheidende Hinweis auf das Handy-Video mit der Explosion beim Staatsschutz eingeht.

Ein Kommentar von Andreas Reiter.

Wen schützen die Staatsschützer eigentlich? Die Erklärung, man habe von einem Video mit einem Polenböller — das sind die Knallkörper, vor denen zu Silvester immer wieder gewarnt wird, weil sie gefährlich sind — gehört, ist reichlich dünn. Der Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen wurde definitiv nicht mit einem Polenböller durchgeführt, das war Sprengstoff.

Fatal ist die Tatsache, dass mehr Informationen als im Fall Yussuf T. kaum möglich sind, um im Vorfeld einer Straftat einzugreifen. Die Hausdurchsuchung vor Weihnachten war bestimmt kein Zufall. Damals hatte die Polizei dessen PC und Handy mitgenommen — und nichts gefunden? Oder doch etwas übersehen? Die Behörden haben auf jeden Fall mit aufziehenden Problemen gerechnet — um dann im entscheidenden Moment zu versagen. Die Ergebnisse der nun angekündigten internen Aufklärung im Gelsenkirchener Polizeipräsidium werden spannend sein. Auch aus Sicht des obersten Dienstherren, NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Wenn es stimmt, dass seine Behörde erst jetzt informiert worden ist, hilft das Jäger politisch herzlich wenig. Der seit den Exzessen in der Kölner Silvesternacht angezählte Minister wird Breitseiten von der Opposition bekommen, im Sinne von „Jäger hat seinen Laden nicht im Griff“. Das ist das politische Getöse.

Wirklich problematisch ist es, wenn der Leiter der Realschule, die Yussuf T. besucht hat, sagt, dass man Radikalisierungstendenzen in Schulen überall findet und es eine enge Zusammenarbeit — zum Beispiel seiner Schule — mit den Behörden gibt. Daraus kann man ableiten, dass die bisherigen Angebote nicht ausreichen, um Teenager wie Yussuf T. von ihrem Tun abzuhalten.