Meinung Der missbrauchte Tod des Niklas P.
Überzeugungstäter kennen keine Scham. Passen ein Schicksal, eine Heldentat oder ein Verbrechen in ihren Kram, dann wird ohne jede Rücksicht daraus politisches Kleingeld geschlagen. Nicht anders verhält es sich mit dem Tod des 17-jährigen Niklas P., der in Bad Godesberg zum Opfer einer unfassbar brutalen Gewaltattacke wurde.
Die, die seit nun knapp drei Wochen den Tatort belagern, interessiert das Schicksal von Niklas P. in Wahrheit überhaupt nicht. Rechte Gruppen und ihre üblichen Claqueure warten nicht einmal die Beisetzung oder gar das Ende der Ermittlungen ab, um ihn als weiteres Opfer krimineller Ausländer zu stilisieren. Darum geht es ihnen. Und ihr vorfabriziertes, verbales Lynch-Urteil steht gegen den Hauptverdächtigen natürlich auch längst fest.
Denn dass der Festgenommene wegen Gewalttaten bereits polizeibekannt ist, macht ihn in der rechten Schubladen-Welt natürlich zu einem Intensivtäter, der einfach nicht früh genug eingesperrt oder abgeschoben wurde, um anständige weiße Deutsche zu schützen. Und Niklas P. ist der Beleg dafür. Das rechte Spektrum sehnt zu seiner Bestätigung Opfer wie Niklas P. in einer Art und Weise herbei, dass jeden normalen Menschen der Ekel packen muss.
Auf der Gegenseite hat sich das Bündnis „Bonn stellt sich quer“ formiert. Nicht, dass die vermeintlich besseren Menschen mit Niklas P. und seinem Schicksal irgendetwas am Hut hätten. Oder mit ihrem massiven Auftreten den Tatort als einen Ort der Trauer beschützen würden. Im Gegenteil: Wer da einfach nur mal still sein will, für einen Moment den Kopf anhalten, der ist ihnen im Weg. Ihnen geht es ihrerseits ausschließlich darum, dass die Rechten nicht recht behalten dürfen. Fast jubelnd beschallten ihre Anhänger am Mittwoch das Netz, als die Staatsanwaltschaft die italienische Staatsbürgerschaft des festgenommenen 20-jährigen Hauptverdächtigen bekannt gab: Ätschibätsch, ein Europäer, da guckt ihr Rechten aber doof.
Der Polizist Franz Wirges, Leiter der Bonner Mordkommission, erklärte am Mittwoch zur massiven Ermittlungsarbeit mit 16-Stunden-Schichten und Dauereinsätzen, das sei man Niklas und seinen Eltern schuldig. Wenn alle übrigen es wenigstens schafften, nicht auch noch die Trauerfeier und Beisetzung am kommenden Samstag mit Schreierei und Transparenten zu stören, muss man in diesen Zeiten wahrscheinlich schon dankbar sein.