Meinung Der Datenhai im Kopf
Sensoren scannen das Sprachzentrum, gedachte Worte erscheinen auf dem Smartphone — Facebooks aktuelles Forschungsprojekt lässt selbst Technik-Fans frösteln. Trotz aller Nutzen-für-die-Menscheit-Argumente.
Eine solche Technologie könne helfen, Sprachbarrieren zu überwinden, so der Konzern. Für Menschen mit Behinderungen eröffneten sich neue Möglichkeiten. Mag sein — aber die Technik ist brandgefährlich. Und die Volksberuhigungs-Argumentation reichlich verlogen.
„Facebook ist und bleibt kostenlos“, wirbt das Netzwerk. In Wahrheit zahlen die Mitglieder längst. Denn der Milliardenkonzern von Marc Zuckerberg weiß, ob ich Hunde mag, wohin ich in Urlaub fahre, welche TV-Sendungen ich schaue. Habe ich erzählt. Beziehungsweise: gepostet. Die Massen an Daten sind wertvolle Währung.
Werbetreibenden etwa schustert Facebook passgenau Zielgruppen zu — und schöpft dabei aus dem Übervollen: Mehr als eine Milliarde (!) Menschen nutzen das Netzwerk täglich. Fast ebenso viele sind Kunden beim Messenger Whatsapp, der zum Unternehmen gehört. Aus dieser Perspektive betrachtet bedeutet die Hirnscan-Technik nichts weiter als einen noch tieferen Griff ins persönliche Daten-Portemonnaie. Wer weiß, wie tief dieser Griff reichen kann? Wofür die Daten am Ende verwendet werden? Und wie will man überprüfen, was eigentlich abgegriffen wird? Schwierig. Bei Postings auf Facebook oder Nachrichten, die per Whatsapp versandt werden, entscheidet der Nutzer zumindest noch selbst, was er preisgeben will, befindet bewusst, ob ein Foto öffentlich werden soll oder er eine Vorliebe mitteilen will. Mögliche Inhalte von Hirnscans sind da — vorsichtig ausgedrückt — diffuser.
Dass Gedankenlese-Technologien Chancen bieten: unbestreitbar. Erforschung und Entwicklung sollten aber bei Neurologen, Physikern, Medizinern liegen. Nicht beim mächtigen Milliardenkonzern mit Gewinnstreben.