EM in der Ukraine: Ein Boykott nutzt nur dem Machthaber
Die Fußball-EM muss in der Ukraine ausgetragen werden
Die ehemalige ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko im Gefängnis, Bombenanschläge und ein Präsident, der mit Demokratie nicht allzu viel im Sinn zu haben scheint. Knapp sechs Wochen vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft gibt die Ukraine als eines der beiden Gastgeberländer ein hässliches Bild ab.
So hässlich, dass hochrangige Staatsmänner wie Bundespräsident Joachim Gauck ihre geplanten Reisen in die Ukraine absagen. Die Rufe nach einem Boykott der Fußall-EM werden lauter, auch in Deutschland. Angesichts eines Schauprozesses gegen Timoschenko und deren Hungerstreik im Gefängnis ist diese Forderung verständlich. Aber das macht sie nicht richtiger.
Die Fußballteams und deren Zigtausende von Fans müssen nach Kiew, Charkow, Lviv und Donezk. Die Journalisten von Presse, Funk und Fernsehen müssen berichten, wie das Leben in der Ukraine unter der Regentschaft von Präsident Viktor Janukowitsch ist. Tun sie das nicht, bleiben Spieler, Anhänger und Journalisten also zu Hause, wird die Situation für die Opposition im Land sehr wahrscheinlich nur noch schlimmer. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit fällt es Feinden der Demokratie erheblich leichter, ihre Machtstrukturen zu zementieren.
Das heißt nicht, dass die Kritiker aus dem Ausland zur Tagesordnung übergehen dürfen. Und es bleibt auch richtig, dass Gauck sowie die EU-Kommissarin Viviane Reding Zeichen setzen und ihre Reisen in die Ukraine aus Protest gegen die Behandlung Timoschenkos absagen.
Aber die Vergangenheit hat dennoch gezeigt, dass Boykott und vollständige Isolation das Gegenteil von dem erreichen, was sie bewirken sollen. Die Teilnahme von Teams aus allen demokratischen Staaten an den Olympischen Spielen 2008 in China ist das jüngste Beispiel dafür, dass internationale Großereignisse zur Öffnung eines abgeschotteten Systems beitragen können. China ist in den Jahren seit der Vergabe der Spiele ein offeneres Land geworden, wenn auch noch kein demokratisches.
Die Fußball-EM kann die Ukraine auf ihren 2004 eingeschlagenen Weg nach Europa zurückführen. Wird das Land isoliert, entsteht an der Ostgrenze der EU andernfalls womöglich ein Krisenherd.