Meinung Erdogan wird weiter auf Provokation setzen

Was ist nur in Recep Tayyip Erdogan gefahren? Soll es tatsächlich keine Auftritte türkischer Minister in Deutschland mehr geben? Angeblich hat Ankara so entschieden. Es wäre ein Signal der Deeskalation.

Foto: Nele Eckers

Immerhin. Dass der türkische Präsident komplett von seiner Politik der Provokation ablässt, sollte allerdings niemand erwarten. Erdogan hatte die Tonlage in jüngster Zeit immer weiter verschärft. Ein „Ja“ bei der Abstimmung über die Verfassungsreform sei das beste Mittel gegen das „faschistische Europa“, tönte der Despot vom Bosporus. Vor allem Deutschland sei „rassistisch, faschistisch und grausam“. Mehr beleidigender Unfug geht nicht.

Erdogan will den Hass schüren. Er will, dass die Türkei in der westlichen Welt am Pranger steht, damit seine Landsleute voller Nationalstolz für ihren Präsidenten stimmen. Auftrittsverbote in Deutschland hätten da prima in Erdogans Plan gepasst. Er hätte sich als Opfer und Retter stilisieren können. Und an guten Gründen, türkischen Ministern hierzulande den Wahlkampf-Mund zu verbieten, herrscht wahrlich kein Mangel. Angela Merkel hat sich für einen anderen Weg entschieden. Sie hat Erdogans Verbalausfälle bis zur Schmerzgrenze ignoriert. Sie hat ihn ins Leere laufen lassen. Schwer zu sagen, ob diese Haltung eine Ursache dafür ist, dass Erdogan nun womöglich auf Auftritte seiner Regierung in Deutschland verzichten will. Die Gründe könnten auch in der Regierungspartei AKP selbst liegen. Frühere Spitzenpolitiker der Partei wie Ex-Präsident Abdullah Gül und der ehemalige Premier Ahmet Davutoglu sind Gegner des Präsidialsystems und fürchten den Bruch mit der EU. Vielleicht konnten diese Kräfte Erdogan überzeugen, den Wahlkampf nicht mehr nach Deutschland zu tragen.

Sollte der starke Mann in Ankara das Referendum gewinnen, kann er sein Land mit Dekreten regieren — ohne Zustimmung des Parlaments. Die Türkei wäre faktisch eine Diktatur. Wirtschaftlich wären die Folgen verheerend, und vor allem die Türken hätten darunter zu leiden. Das Land braucht Touristen. Und die bleiben schon jetzt aus. Jedes zweite Hotelbett steht leer. Die Landeswährung Lira verliert dramatisch an Wert, die ausländischen Investoren wenden sich ab. Und anders als Erdogan behauptet, können Russland und China Europa als Wirtschaftspartner nicht ersetzen. Verliert Erdogan die Wahl, kehren sich die Vorzeichen um. Für die Türkei und Europa könnte das ein Neustart sein.