Hartz-IV: Beschämender Poker im Superwahljahr
Schwarzer-Peter-Spiel um Hartz IV geht in eine neue Runde
Verantwortungslos. Anders lässt sich das Verhalten von Regierung und Opposition in den gescheiterten Hartz-IV-Verhandlungen nicht beschreiben. Statt der unmissverständlichen Ansage der Karlsruher Richter nachzukommen und die gesetzliche Grundsicherung bis zum Jahresende 2010 neu zu berechnen, wurde sieben Wochen lang in endlosen Gesprächsrunden wie auf einem Basar gefeilscht.
Und warum das alles? Weil das Superwahljahr eröffnet ist und die Parteien im Hartz-Poker einen willkommenen Anlass sehen, das eigene Profil zu schärfen. Ein Armutszeugnis für die politische Klasse im Land und eine sträfliche Missachtung des obersten deutschen Gerichts.
Die SPD nutzt die veränderte Statik der Macht im Bundesrat dazu, als sozialste Partei im Land aufzutrumpfen. Dabei überfrachtet sie die Verhandlungen mit Forderungen nach einer Neuregulierung bei der Zeitarbeit, zusätzlichen Sozialarbeitern an Schulen und einer generellen Anhebung von Hartz IV.
Union und FDP hingegen sind allzu sehr bemüht, die eigenen Reihen zu schließen. Dass ihnen am Donnerstag in der Länderkammer Abtrünnige aus der Opposition aus der Klemme helfen, ist unwahrscheinlich. Daran dürfte auch der versprochene Geldsegen für die Kommunen nichts ändern.
Auf der Strecke bleiben in diesem beschämenden Schwarzer-Peter-Spiel die Schwächsten unserer Gesellschaft — fast fünf Millionen Erwachsene und mehr als zwei Millionen Kinder, die von Hartz IV leben und wohl noch lange nicht mit einer Verbesserung ihrer Lebenssituation rechnen dürfen. Verlierer sind aber auch die Parteien selbst, denn sie fördern einmal mehr die Politikverdrossenheit.
Der kleine Mann auf der Straße versteht nicht, warum großzügig und über Parteigrenzen hinweg Milliarden-Rettungsschirme für Banken gespannt werden, gleichzeitig wichtige sozialpolitische Entscheidungen aber am Streit um fünf oder elf Euro höhere Regelleistungen scheitern.
Die Aussichten sind düster, denn vor den Landtagswahlen werden Regierung und Opposition kein Interesse an einem Kompromiss haben. Für die Sozialgerichte bedeutet dies, dass sie von einer neuen Klagewelle gegen Hartz-IV-Bescheide überrollt werden. Und Deutschland droht mal wieder ein Reformstau.