Integrationsdebatte: Politik aus der Mottenkiste
Seehofer will aus der Integrationsdebatte Kapital schlagen.
Es nimmt schon Wunder, dass manche Politiker immer noch versuchen, aus wichtigen, grundlegenden und zumeist auch langwierigen Debatten kurzfristig politisches Kapital zu schlagen. In der Integrationsdebatte ist diesmal CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer der Verlockung erlegen. Das ist in dessen Fall umso erstaunlicher, als Seehofer in der Regel Gespür für nutzbringende Sticheleien hat. Die FDP weiß nicht zuletzt in der Gesundheitspolitik davon ein Lied zu singen.
Diesmal aber ist sich Seehofer selbst auf den Leim gegangen. Dass er einen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber fordert, spielt jenen in die Karten, die den starken Mann der CSU gern als Populisten bezeichnen. Denn diesmal haben sie Recht.
Davon abgesehen, dass ein Zuwanderungsstopp gegen geltendes Recht verstößt, wenn er etwa den Zuzug von Angehörigen betrifft, kann Seehofer mit dieser Rhetorik allenfalls noch in Eckkneipen der bayerischen Provinz punkten. Denn selbst die meisten konservativen Politiker und deren Wähler sind schon einige Schritte weiter. Für sie ist Zuwanderung kein Menetekel. Sie ist erstens Alltag und zweitens notwendig.
Sie wissen auch, dass es ebenso unsachlich wie töricht ist, zwei Millionen Türken in Deutschland pauschal in die Schublade "nicht integrierbar" zu stecken. Denn jeder dürfte in seinem Lebensumfeld wenigstens einen Türken kennen, der als Unternehmer, Facharbeiter, Lehrer oder Ingenieur seinen Beitrag zum Bruttosozialprodukt leistet und bewiesen hat, dass Integration selbst unter den heutigen Bedingungen möglich ist.
Dennoch ist in Deutschland kein Platz für Migrations-Romantik. Die Fragen von Zuwanderung und Integration sind existenziell. Sie müssen sachlich diskutiert und mit konstruktiven Ergebnissen beantwortet werden.
Deutschland steht unbestritten vor einem erheblichen demografischen Wandel. Deshalb haben jene beispielsweise in der FDP Recht, die Zuwanderung davon abhängig machen wollen, welche Bedürfnisse der Arbeitsmarkt in Deutschland hat. Das ist aber nur ein Aspekt. Humanität ist ein weiterer und ebenso wichtig. Umso mehr müssen auch Seehofer und die CSU moderne, zukunftsweisende Antworten suchen. In der politischen Mottenkiste werden sie keine finden.