Meinung Kohleausstiegsgesetz ist dringend erforderlich
Über die Mittel, die Umweltaktivisten beim Klimacamp wählen, um ihr Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen, kann man sicherlich streiten. („Ziviler Ungehorsam“ ist ein zynischer Euphemismus, wenn er Straftaten und Gewalt für ein vermeintlich höheres Ziel zu legitimieren versucht.) Über die Berechtigung ihrer Mission kann man es nicht.
Deutschland braucht den Braunkohle-Ausstieg — in diesem Punkt zumindest sind sich die Politik und die Demonstranten weitgehend einig. Die Gretchenfrage bleibt nur, wann es so weit ist.
Das Thema Braunkohle-Ausstieg war für die Bundesregierung stets eine unliebsame Klippe, die sie bislang nach Kräften umschifft hat. Mit den mächtigen Stromkonzernen, den Gewerkschaften und auch mit den Bundesländern wollte sie es sich lieber nicht verscherzen. Und auch im Wahlkampf spielt die Energiewende beim Gros der Parteien eine eher untergeordnete Rolle.
Zwar hat Angela Merkel die Brisanz des Themas längst erkannt — sie weiß, dass Deutschland in puncto Klimaschutz seine Vorreiterrolle innerhalb Europas nichts aufs Spiel setzen sollte. Doch verkommt die Willensbekundung der Kanzlerin, aus der Braunkohle-Verstromung eines Tages auszusteigen, zum reinen Lippenbekenntnis, wenn sie nicht an eine klar definierte Frist gebunden ist. Nur ein Kohleausstiegsgesetz könnte dies leisten.
Denn es kommt auf jeden Tag an. Wohl nur ein Donald Trump bringt es ernsthaft fertig, jeder ökologischen Realität zu trotzen und im US-Energieministerium im Hinblick auf fossile Brennstoffe etwas von „schöner, sauberer Kohle“ zu faseln — Deutschland sollte es besser wissen. Braunkohle ist nicht nur schmutzig und klimaschädlich, sondern weist (zusammen mit dem heute kaum noch genutzten Torf) von allen fossilen Energieträgern auch den niedrigsten Brennwert auf.
Selbstverständlich muss man die Kumpel und ihre Familien im Rheinischen Revier und anderenorts im Bundesgebiet, die noch vom Braunkohle-Abbau leben, auf dem Weg Richtung Ausstieg mitnehmen. Für einen gelungenen Strukturwandel brauchen sie Planungssicherheit und wirkliche Alternativen. Das ist leichter gesagt als getan. Das Ziel aber, die Energiewende erfolgreich zu vollziehen und die globale Erderwärmung zu stoppen, ist jede Mühe wert. Das sind wir den kommenden Generationen schuldig. Nach der Wahl muss die Politik Taten sprechen lassen.