Klimacamp Wer sind die Protagonisten des Klimacamp-Protests?

Klimacamp: Welche Demos finden wann und wo statt, welche sind friedlich, wo könnte es ruppig werden? Und wer sind Beteiligte und Betroffene? Ein Überblick.

Umweltaktivisten sitzen in dem Klimacamp Rheinland beim Mittagessen.

Foto: Oliver Berg

Erkelenz/Merzenich/Aachen. Dass Dirk Weinspach angespannt ist, sagt er nicht, man sieht es ihm an. Der Aachener Polizeipräsident und seine Beamten verantworten einen der größten Einsätze in der Geschichte der Aachener Polizei, auch wenn er gar nicht in Aachen stattfindet. Am Donnerstag beginnen die Aktionstage im Rheinischen Revier. Das bedeutet, es wird protestiert, und zwar nicht nur friedlich, sondern „mit Aktionen zivilen Ungehorsams“, so haben es die Aktivisten im Klimacamp in Erkelenz angekündigt.

Was genau das bedeutet, kann man nur ahnen, vor zwei Jahren marschierte das Aktionsbündnis „Ende Gelände“ mit 1500 Aktivisten auf den Tagebau Garzweiler zu, durchbrach Polizeisperren und drang mit 805 Menschen in den Tagebau ein. 2016 drangen noch viel mehr „Ende-Gelände“-Aktivisten in einen Tagebau in der Lausitz ein, vor allem aber ins Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe. Das ist es, was die Polizei, was auch Tagebau- und Kraftwerkbetreiber RWE am meisten fürchtet: dass die Kraftwerke angegriffen werden, in welcher Form auch immer.

Die Lage ist unübersichtlich, hier ein Überblick über die wichtigsten Aspekte:

Das Klimacamp: Das Klimacamp ist auf einer Wiese in Erkelenz-Kückhoven errichtet worden, die Organisatoren erwarten bis zu 6000 Teilnehmer. Das Camp liegt wenige Kilometer westlich vom Tagebau Garzweiler. Es werden Workshops und Seminare angeboten, dazu Aktionstrainings, in denen die Teilnehmer an den Protesten auf Aktionen zivilen Ungehorsams vorbereitet werden.

Auf dem Gelände befinden sich auch andere Bündnisse, Camps und Initiativen, zum Beispiel „Connecting Movements“, „Degrowth Summer School“, „Zucker im Tank“, „Kohle erSetzen!“ oder „Ende Gelände“. Die Gruppen voneinander abzugrenzen, ist für Außenstehende, auch für die Polizei, fast unmöglich. 2015 war es so, dass fast alle Menschen im Klimacamp sich am „Ende-Gelände“-Sturm auf den Tagebau Garzweiler beteiligt haben. Wann eine solche Tagebaubesetzung in dieser Woche ansteht, oder ob etwas anderes geplant ist, weiß die Polizei nicht. Auf der anderen Seite des Reviers, in Kerpen-Manheim am Tagebau Hambach, gibt es noch das „Camp for future“ der Jugend des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die BUND-Jugend hat ihre Zelte bewusst nicht auf dem Klimacamp aufgeschlagen. Sie haben friedliche Proteste gegen den Braunkohleabbau angekündigt.

Die Aktivistin: Als Janna Aljets am 15. August 2015 mit Hunderten anderen „Ende Gelände“-Aktivisten in den Tagebau Garzweiler eindrang, hat sie das emotional tief bewegt. Nicht dass es ihr gelungen war, an der Polizei vorbeizukommen, sondern mit eigenen Augen zu sehen, welches Maß an Zerstörung der Braunkohleabbau anrichtet, welche tiefen Wunden die gigantischen Bagger in die Erde graben. Sie sagt: „Der Tagebau ist ein Sinnbild für das, was falsch läuft in der Gesellschaft.“ Als sie diese Woche davon erzählt, steigen ihr die Tränen in die Augen.

Aljets (31) ist Sprecherin des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“, aber ebenso gut könnte sie Köchin sein oder etwas anderes im Klimacamp machen, es ist mehr Zufall, dass sie es dieses Jahr ist, die mit der Presse sprechen und für Verständnis werben soll. Verständnis auch für Aktionen zivilen Ungehorsams, ein Begriff, in dem die Polizei eine Verharmlosung von Regelverstößen und Straftaten sieht. Janna Aljets findet aber, dass ziviler Ungehorsam notwendig ist, sie sagt: „Wir schaffen einen Moment der Selbstermächtigung.“ Gegen Umweltverschmutzung, gegen die Zerstörung des Planeten, für globale Gerechtigkeit. Die Aktivisten, sagt Aljets, sähen sich in der Tradition der Bürgerrechtsbewegung in den USA, der Anti-Apartheidsbewegung in Südafrika oder der indischen Freiheitsbewegung, die alle zivilen Ungehorsam propagieren und eingesetzt haben, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Den Aktivisten geht es um das große Ganze. Trotzdem sei es unter den Teilnehmern des Klimacamps Konsens, dass bei den Aktionen kein Mensch gefährdet oder verletzt werden soll.

Für alle, sagt Janna Aljets, könne sie natürlich nicht sprechen. Mit ihr kann man stundenlang darüber diskutieren, was falsch läuft in der Welt, und was die Ursachen dafür sind. Sei sagt dann, dass es den Aktivisten keineswegs nur darum geht, den Braunkohleabbau in Deutschland zu stoppen, sondern darum, eine neue Welt zu schaffen, eine gerechtere.

Betreiber RWE: Die Stimmung im Unternehmen ist angespannt, RWE-Sprecher Lothar Lambertz sagt, dass die anstehenden Proteste nicht an den Mitarbeitern vorbeigehen. RWE hat den Werkschutz für diese Woche einschließlich des Wochenendes verstärkt, sowohl in den Kraftwerken als auch in den Tagebauen sind mehr Sicherheitsmitarbeiter als üblich. „Ich glaube, alle Mitarbeiter sind froh, wenn die Woche vorbei ist, ohne dass ein Eingreifen der Polizei erforderlich geworden ist“, sagt Lambertz.

Die Polizei: Helmut Lennartz ist ein erfahrener Schutzpolizist im Aachener Polizeipräsidium, der ranghöchste ist er auch. Er wird den Einsatz vom Präsidium aus leiten, Schätzungen zufolge unterstehen ihm diese Woche zeitweise etwa 2000 Polizisten aus ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus.

Er vermutet, dass eine kleine Gruppe Aktivisten gewaltbereit ist, die auch vor Gewalt gegen Menschen nicht zurückschreckt. Er vermutet, dass es eine nicht gar so kleine Gruppe Aktivisten gibt, die bereit sind, Gewalt gegen Gegenstände zu richten. Aber er vermutet auch, dass der größte Teil der Aktivisten friedlich ist. Mit gewalttätigen Blöcken wie in Hamburg sei diese Woche eher nicht zu rechnen, sagt Lennartz. Der Einsatz läuft seit Freitag, und zwar rund um die Uhr.

Er spricht von „einer enormen Belastung“ für die nordrhein-westfälische Polizei, zumal am Wochenende auch noch drei Bundesligaspiele in NRW stattfinden. Die Polizei hat nicht nur die Bürger im Rheinischen Revier und ihr Eigentum zu schützen, sie ist außerdem zuständig für drei Tagebaue, fünf Kraftwerke, 130 Kilometer Abbruchkante und etwa 100 Kilometer Kohlebahnstrecke.

Lennartz gibt sich nicht der Illusion hin, die „Ende-Gelände“-Aktivisten, die im Internet angekündigt haben, in einen der Tagebaue einzudringen, davon abhalten zu können, deswegen verspricht er es auch gar nicht erst. „Wenn Menschen in den Tagebau gelangen, geht der Einsatz eben in der Grube weiter“, sagt Lennartz. Er schließt nicht aus, dass der Tagebaubetrieb dennoch gestört wird. Es könnte eine lange Woche werden.

Polizeipräsident Dirk Weinspach ist besorgt darüber, dass es im Revier möglicherweise „nicht friedlich bleibt“. Was er im Internet so liest, interpretiert er „als Ankündigung massiver Straftaten“: Blockade, Sabotage, Hausfriedensbrüche. Weinspach hat auch in diesem Jahr wieder viele Gespräche geführt — mit Bürgern, mit RWE, wie immer auch mit den Aktivisten, das ist sein Stil. Was es genutzt hat, zeigt sich am Ende der Woche. Er sagt: „Unser Ziel ist, dass am Ende aller Veranstaltungen alle gesund nach Hause gehen.“