Landtagswahlen in Thüringen Das alte Tabu Linkspartei muss fallen
Meinung | Berlin · Thüringen hat gewählt. Doch wie geht es nach der Landtagswahl weiter? Wenn die alten Maßstäbe gelten, ist eine Regierungsbildung unmöglich.
Schon entdecken manche als Rettungsanker die Besonderheiten der Landesverfassung. Nach der kann Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im Prinzip mit der alten rot-rot-grünen Koalition so lange weiter machen wie er will, falls keine neue Regierung zustande kommt. Doch Vorsicht: So etwas mag für eine Übergangszeit akzeptabel sein. Dauert es zu lange, entsteht der Eindruck, hier solle eine Wahl einfach ignoriert werden, ganz so, als habe sie gar nicht stattgefunden. Gleiches gilt für den Ausweg Neuwahlen. Man darf die Wähler nicht so lange antreten lassen, bis das Ergebnis stimmt.
Aber müssen die bisherigen Maßstäbe eigentlich tatsächlich gelten? Sie lauten, dass CDU und FDP niemals und nirgends mit den Linken kooperieren. Und ebenso nicht mit der AfD. Die CDU hat diesen Beschluss gestern erneuert. Doch ist diese Gleichsetzung falsch. Es handelt sich nicht um gleich extreme Parteien, erst recht nicht in Thüringen. Die Linke ist dort eine realpolitische Kraft und Bodo Ramelow für jeden Demokraten als Partner absolut akzeptabel. Die AfD hingegen ist in Thüringen mehr noch als anderswo eine rechtsradikale Partei, die sich bewusst in Richtung Nazis öffnet. Erst recht ihr Vormann Björn Höcke.
CDU und FDP sollten 30 Jahre nach dem Mauerfall aufhören, die Linkspartei pauschal zu tabuisieren. So wie sie auch das Tabu einer Zusammenarbeit mit den Grünen irgendwann aufgegeben haben. Sie sollten die entsprechenden Rituale im Bundestag beenden und sich auch in den Ländern so normal verhalten, wie das unter Demokraten üblich ist. Zumal vor den Türen der Macht Nazis lauern. Das sollte man auch nicht zur Frage der Autorität der Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer machen. Wenn in Thüringen verhandelt würde, wäre das erst einmal nur ein Einzelfall.
Entscheidend ist außerdem, was konkret in einem Koalitions- oder Tolerierungsvertrag steht. Bei den Inhalten müssen die Tabu-Grenzen liegen. Niemand wird konservativen Parteien zumuten, irgendeinen sozialistischen Quatsch mitzutragen. Wenn ein Koalitions- oder Kooperationsvertrag mit Union oder FDP nicht auch den Linken erhebliche Schwierigkeiten macht, ist es ein sehr schlecht verhandelter Vertrag.
Es wird argumentiert, wenn dieses Tabu falle, dann werde bald auch über Kooperationen mit der AfD geredet. Nun, wenn diese Partei eine ähnliche Entwicklung nehmen würde, wie es die Linkspartei getan hat, warum nicht? Doch derzeit rückt die AfD im Osten immer weiter nach Rechtsaußen, und auch in der Bundespartei wird der Höcke-Flügel immer mächtiger. CDU und FDP sollten in der Lage sein, die Grenze zu solchen Kräften auch dann noch halten zu können, wenn sie in Erfurt mit den Linken kooperieren. Wäre es anders, müsste man sich wirklich Sorgen machen um Deutschland.