Nach der Thüringen-Wahl Niemand will mit Ramelow
Berlin · Nach der Thüringen-Wahl sind die Bundesparteien ratlos. Die GroKo wurde wieder abgestraft.
Die ersten Glückwünsche aus Berlin kamen schon direkt nach der Prognose um 18 Uhr: „Der Sieger dieses Wahlabends heißt die Linke Thüringen und Bodo Ramelow“, triumphierte der Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch. Schon länger wurde bei den Linken im Bund nicht mehr so gejubelt wie nach den ersten Zahlen zur Thüringen-Wahl. Obwohl der eigensinnige Ministerpräsident Ramelow nicht gerade als einer der ihren gilt.
Im Karl-Liebknecht-Haus hatte man nach den letzten enttäuschenden Ergebnissen bei Landtagswahlen die Sorge, im Osten nicht mehr gebraucht zu werden. Die Linkspartei benötige daher dringend ein Erfolgserlebnis. Ramelow lieferte es - stärkste Kraft im Freistaat mit Zugewinnen. Der Erfolg in Thüringen werde der gesamten Partei guttun, jubelte Parteichef Bernd Riexinger. „Wir haben im Osten wieder eine Wahl gewonnen, das wird die ganze Bundespartei stärken. Wir sind auf einem aufsteigenden Ast.“ Ramelow habe nun einen klaren Regierungsauftrag, ergänzte der Vorsitzende. Mit wem er den allerdings umsetzen könnte, ist völlig unklar. Denn noch will niemand mit Ramelow - und seine rot-rot-grüne Landesregierung wurde abgewählt.
Möglich wäre eine Zusammenarbeit mit der CDU. Doch die hatte Spitzenkandidat Mike Mohring vor der Wahl ausgeschlossen. So müsse es auch bleiben, forderte in Berlin vehement Generalsekretär Paul Ziemiak. Für die Union sei der Wahlausgang wegen zweistelliger Verluste „ein bitterer Abend“. So schlimm hatte sich das keiner im Konrad-Adenauer-Haus vorgestellt, entsprechend mies war die Stimmung. Mittlerweile muss sich die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wohl fragen, warum auch unter ihrer Führung die Union bei Wahlen so schlecht abschneidet. Schließlich ist sie bald ein Jahr im Amt. Ziemiak betonte erneut, es werde keine Koalition mit der Linken geben. Die Differenzen seien „unüberbrückbar“. Auch FDP-Chef Christian Lindner erteilte einer Zusammenarbeit mit Ramelow in einer Vierer-Koalition eine Absage: „Die Linke will ein anderes Land.“ Da werde die FDP nicht mitmachen. Lindner wirkte gelöst, weil der Einzug der Liberalen in den Landtag zu diesem Zeitpunkt sicher schien. Nach mehreren Wahlpleiten vorher war auch Kritik an ihm laut geworden.
Besonders frenetisch feierte die AfD. Man hörte „Höcke, Höcke“-Rufe. In Thüringen wurden die Rechten zweitstärkste Kraft mit Spitzenkandidat Björn Höcke, der den völkischen „Flügel“ führt. Damit dürfte er immer mächtiger werden in der Partei. Einer der Vorsitzenden, Jörg Meuthen, meinte: „Ich bin hochzufrieden.“ Nach den Erfolgen von Brandenburg und Sachsen sei die AfD erneut „der große Wahlsieger“. Auf die Frage, ob Höcke ihm jetzt den Vorsitzenden-Posten streitig machen werde, erklärte Meuthen: „Ein jeder ist frei zu kandidieren.“ Der andere Parteichef, Alexander Gauland, war extra nach Erfurt gereist, um mit Höcke den Erfolg zu feiern. Gauland sagte: „Die CDU muss sich überlegen, ob sie künftig mit Linken und Grünen und Sozialdemokraten regieren will oder mit der einzigen bürgerlichen Volkspartei, der AfD.“ Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hielt dagegen. Die Afd müsse jetzt insgesamt völlig anders angegangen werden. Wie, ließ er offen. Eine Zusammenarbeit mit den Rechten schlossen alle Unionsvertreter aus.
Alles in allem wurden die GroKo-Parteien Union und SPD mal wieder abgewatscht. Die Genossen erzielten in Thüringen sogar nur ein einstelliges Ergebnis. Die kommissarische Vorsitzende Malu Dreyer befand, ihre Partei habe gekämpft, aber leider habe sie wegen der Polarisierung zwischen Ramelow und der AfD nicht profitieren können. Da sich für SPD aber wieder gezeigt hat, dass sich Mitregieren nicht automatisch lohnt, könnten nun auch die Ausstiegsgelüste aus der Großen Koalition wieder größer werden. Wodurch womöglich das Rennen für Finanzminister Olaf Scholz um den Parteivorsitz nicht einfacher wird.
Enttäuscht zeigten sich ebenfalls die Grünen. Zwar war der Osten immer ein schwieriges Pflaster für sie, dennoch hatte man gehofft, vom bundesweiten Hype zu profitieren. Doch nur knapp schaffte man den Sprung in den Landtag. Parteichef Robert Habeck reagiert frustriert: „Wir hätten gerne eine Schippe draufgelegt.“ Mit der „Tonalität des Zusammenführens“ seien die Grünen aber „kaum durchgekommen“. Ihr Höhenflug ist nun erst einmal vorbei.