Kommentar Die Grünen – 40 Jahre lang ihrem Thema treu geblieben

Meinung | Berlin · Viele der einstigen Grünen „Spinner“-Ideen sind heute aktueller denn je. Längst wird die Partei sogar von ihren erbittertsten Gegnern kopiert.

Die grünen, alternativen und bunten Gruppierungen in der Bundesrepublik gründeten am 13. Januar 1980 nach heftigen Auseinandersetzungen eine Bundespartei mit dem Namen „Die Grünen“.

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Realpolitik machen, auch mal mitregieren – und sich trotzdem treu bleiben. Die Grünen haben geschafft, woran andere zu scheitern drohen. 40 Jahre nach ihrer Gründung sind sie drauf und dran, die dritte Volkspartei im Land zu werden, sogar mit Kanzler(in)chance. An diesem Freitag werden sie das in Berlin feiern. Dass der Bundespräsident dort redet, ist nur angemessen.

Der Grund für den Erfolg ist, dass die Partei von Anfang an ein Thema zentral stellte, das universell ist und mit der Zeit immer dringender wird: Die Umwelt. Gesunde Nahrung, gute Luft, intakte Natur, Nachhaltigkeit. Zu keinem Zeitpunkt haben die Grünen an diesen Zielen grundsätzliche Abstriche gemacht. Und viele ihrer Mitglieder versuchen, danach zu leben. Das macht glaubwürdig.

Umso größer ist der Hass der Gegner. „Spinner“, „Verbotsverein“, „rot-grün versiffte Republik“. Es ist die verzweifelte Leugnung einer unabwendbaren Erkenntnis: Der enthemmte Naturverbrauch unserer Zeit kann nicht richtig sein und wird keine gute Zukunft bringen. Die Grünen werden recht behalten, wie sie schon oft recht behalten haben. Viele ihrer „Spinner“-Ideen sind irgendwann aktuell geworden. So wie „Jute statt Plastik“, eine Losung aus den Gründungszeiten, in abgewandelter Form jetzt ebenfalls wieder aktuell ist.

Die Grünen haben neue Maßstäbe gesetzt, meint Werner Kolhoff.

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Emanzipation, Dritte Welt, Abrüstung, Flüchtlinge, Hausbesetzungen und Datenschutz gehörten auch zu den Gründungsmotiven. Die Grünen waren von Anfang an mehr als eine Ein-Themen-Partei. Manches hat sich erledigt, wie der Kampf gegen die Atomkraft. Manches vertreten inzwischen auch die anderen Parteien. Und an manchen Stellen haben die Grünen sich angepasst, wie bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Neue Maßstäbe haben sie innerparteilich gesetzt: Trennung von Amt und Mandat, Doppelspitzen, Quote, Basisbeteiligung. Wie an einem Katechismus halten sie an diesen Regeln fest, auch weil sie geholfen haben, mit den scharfen Flügelgegensätzen umzugehen. Vieles davon wird inzwischen von der Konkurrenz kopiert. Sogar von der AfD.

Umwelt ist jedoch nicht alles. Soziale Sicherheit und wirtschaftlicher Erfolg sind genauso wichtig. In manchen Gegenden der Welt – auch Deutschlands – oft sogar noch wichtiger. Können sich nur reiche Leute grüne Politik leisten? Im Jahre 40 nach ihrer Gründung wirkt die Partei auf viele immer noch wie ein elitärer Club junger, gebildeter Städter. Das ist ihr Schwachpunkt.

Ökologie, Ökonomie und Sozialstaat dürfen kein Gegensatz sein. Alles muss gelingen, sonst gelingt nichts von allem. Im Prinzip haben die Grünen das begriffen. Aber auch in der praktischen Politik? Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war ein erster, weitgehend gelungener Versuch, mit Umwelt neue Arbeitsplätze zu schaffen. Doch viele Menschen glauben (noch) nicht, dass Ähnliches auch bei der anstehenden, viel radikaleren Klimawende möglich ist. Und haben Angst. Die Grünen müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten, wenn sie wirklich den Kanzler stellen wollen. Gerade dort, wo ihnen die Menschen nicht grün sind.