Kommentar Knapp keine Rezession - Zeit strukturelle Probleme anzugehen

Berlin · Es ist nicht wirklich eine gute Nachricht, dass die zurückliegende Schwächephase der Wirtschaft so ganz knapp keine Rezession war.

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Zumal dieser Feststellung nur eine technische Definition zugrunde liegt: Erst wenn zwei Quartale hintereinander ein Minuswachstum registriert wird, gilt das als Krise. Erstens: Was nicht ist, kann noch werden. Und zweitens verführt die gute Nachricht enorm dazu, sich zurückzulehnen, frei nach dem berlinischen Motto: Uns kann keener.

Das sollte zum Beispiel die deutsche Automobilindustrie nicht sagen, der gerade die Felle Richtung China (und Tesla) davonschwimmen. Ebenso der Windkraftbranche, die aufgrund falscher Politik derzeit regelrecht zerstört wird. Die gesamte IT-basierte Wirtschaft hat es mit anhaltenden Netzversorgungslücken und unendlich langsamen Modernisierungsprozessen zu tun. Und der deutschen Infrastruktur fehlt es inzwischen nicht mehr an Geld, wohl aber an Ingenieuren. Auch die Exportwirtschaft kann sich nicht zurücklehnen, denn der Brexit kommt und Trump ist (noch) nicht weg, damit auch nicht das Risiko von Handelskriegen.

Das Beste, was man über die Lage der deutschen Wirtschaft behaupten kann ist: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Sie ist noch ziemlich gut, aber das Miniwachstum wird schon jetzt nicht mehr von der Produktion, sondern vom Konsum getrieben. Vor allem ist sie nicht gut gerüstet. Das ist sicher keine Situation, um große Konjunkturprogramme aufzulegen oder Geld mit der Gießkanne zu verteilen, wie es gerade bei den E-Autos geschieht. Schon gar nicht an die Reichen. Es ist aber eine Situation, um strukturelle Probleme anzugehen. In Bildung und Forschung, auch bei der Fortbildung. Bei der Verschlankung der Bürokratie. Und bei der Beschleunigung von Genehmigungs- und Bauverfahren. Eigentlich bedeutet die Nachricht „Knapp keine Rezession“ nur: Jetzt keine Zeit mehr verlieren.