Kommentar AfD-Politiker Brandner taugt nicht als Opfer
Meinung | Berlin · Stephan Brandner (AfD) ist als Vorsitzender des Rechtsausschusses abgesetzt worden. Das eigentliche Thema ist jedoch der Umgang seiner Partei mit dem Thüringer Politiker.
Normalerweise hätte es den Fall Stephan Brandner gar nicht geben dürfen. Normalerweise hätte eine Partei ein Mitglied nämlich selbst zur Ordnung gerufen, wenn es sich so daneben benommen hätte wie der Thüringer AfD-Politiker. Erst recht einen Vorsitzenden eines Bundestagsausschusses, noch dazu des wichtigen Rechtsausschusses.
Brandner will provozieren, er sucht die schenkelklopfende Zustimmung seiner Wähler und Anhänger. So einer taugt weder als Aushängeschild einer Partei noch als Märtyrer. Für so einen schämt man sich eher. Der 53-Jährige erfährt jetzt nur das, was er selbst für erheblich Schwächere, nämlich Flüchtlinge, gern einfordert: Wer sich nicht an die Regeln hält, fliegt raus.
Egal, wo sie ideologisch stehen, so eint die Parteien im Bundestag bisher doch eins: Sie alle wollen eine zivilisierte politische Debatte, die die Gräben nicht unüberbrückbar macht. Auch die Linke ist längst in dieser Art der Demokratie angekommen. Nur nicht die AfD.
Man darf konservativ sein, auch stockkonservativ. Man darf zum Beispiel finden, dass Deutschland zu viele Flüchtlinge aufnimmt. Man darf die D-Mark wieder haben wollen. Alles völlig legitim. Was nicht geht, ist der pure Hass auf alle, die aus fremden Kulturen kommen oder die nur eine andere Hautfarbe haben. Was nicht geht, ist die Verharmlosung der Nazi-Zeit, etwa als „Vogelschiss“. Was nicht geht, ist die Verächtlichmachung der demokratischen Institutionen, der Parteien als „Systemparteien“ oder der Medien als „Lügenpresse“. Was nicht geht, ist Gewalt oder die klammheimliche Sympathie mit Gewalttätern. Warum das alles nicht geht? Weil diese Demokratie die Quintessenz dunkelster deutscher Geschichte und zugleich die Grundlage für den heutigen inneren Frieden und den Wohlstand ist. Punkt.
In der AfD findet eine zunehmende Selbstradikalisierung statt, für die Brandner nur ein Symbol ist. Höcke, Weidel oder Gauland sind noch schlimmer, teilweise freilich geschickter. Nach außen mimen sie die guten Demokraten und fordern gleiche Rechte ein. In ihren Echokammern bei Twitter und Facebook oder auf Versammlungen, auf denen sie sich unbeobachtet wähnen, testen sie gleichzeitig immer weiter die Grenzen des „Sagbaren“ aus. Und die angeblich nur besorgten Bürger in der AfD widersprechen nicht. So lange das so ist, werden die anderen Parteien nicht nur gegen Leute wie Brandner vorgehen, sondern zu recht auch keinen AfD-Kandidaten für das Amt des Bundestags-Vizepräsidenten wählen. Das Parlament muss ja nicht den Kakao auch noch trinken, durch den es gezogen werden soll.