Meinung Quo vadis, Europa?
Emmanuel Macron will nicht weniger als eine „Neugründung Europas“. Die Europäische Union sei „zu langsam, zu schwach, zu ineffizient“, kritisierte Frankreichs Präsident in einer Grundsatzrede vor Studenten an der Pariser Universität Sorbonne.
Dieser Analyse dürfte hierzulande eine große Mehrheit zustimmen. Bei den konkreten Vorschlägen sieht das anders aus. Macron will mehr Macht und mehr Geld für Brüssel. Damit liegt er auf einer Linie mit Jean-Claude Juncker, dem EU-Kommissionspräsidenten. Der hatte vor wenigen Tagen ebenfalls das hohe Lied auf eine EU gesungen, in der es nirgends Grenzen gibt und alle beim Euro mitmachen.
In Deutschland stoßen solche Ideen auf heftigen Widerstand. Wie sehr, das hat die Bundestagswahl gezeigt, die ja einen gewaltigen Rechtsruck bedeutet. Macron will den Umbau der Eurozone zur Transferunion. Er will einen EU-Finanzminister mit weitreichenden Kompetenzen und dem Recht, eigene Schulden machen zu können. In weiten Teilen der Union stoßen diese Vorschläge auf große Skepsis. Der FDP bleibt nichts anders übrig, als diesen Kurs komplett abzulehnen. Alles andere würde bedeuten, dass die unter Christian Lindner regenerierte Partei erneut ihre Glaubwürdigkeit verliert. Klappt es in Berlin mit der Jamaika-Koalition, wird Macron an dieser deutschen Regierung wenig Freude haben.
Aber kann Berlin es sich leisten, Paris im Regen stehen zu lassen. Zur Erinnerung: Es war Macron, der in Frankreich gegen den rechtsextremen Front National einen Sieg errungen und Europa damit vor einer schweren Krise bewahrt hat. Und es ist Macron, der Frankreichs Wirtschaft nach einem Muster auf Trab bringen will, das den Liberalen hierzulande gefallen dürfte. Berlin kann es sich nicht leisten, diesen Präsidenten vor die Wand laufen zu lassen. Quo vadis, Europa? Wie immer die neue deutsche Regierung auch aussieht, sie muss auf diese Frage im Dialog mit Macron eine Antwort finden.