Meinung Starkes Bekenntnis zur Gewaltenteilung
Opposition ist Mist — lautete einst das vernichtende Urteil des ehemaligen Bundesarbeitsministers Franz Müntefering (SPD) über die unliebsame Rolle im Parlament abseits der Regierungsbank. Nicht ahnend, dass seine Partei Jahre später nach einer vergeigten Bundestagswahl zwecks karmischer Selbstfindung mit wehenden Fahnen den Weg in die selbige antreten würde.
Auch jetzt können sich die Genossen im Zuge der zähfließenden Jamaika-Sondierungen sicherlich Schöneres vorstellen, als künftig eingezwängt zwischen AfD und Linken die Oppositionsbank drücken zu müssen. Wer will schon die Rolle des Beckmessers einnehmen, wenn er aktiv gestalten könnte?
Dennoch ist für die SPD nun nicht die Zeit zu jammern: Denn dass die Rolle einer Kontrollinstanz der Regierung für die opponierenden Parteien keineswegs ein politisches Abstellgleis bedeuten muss, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit seiner „Stärkung des parlamentarischen Oppositionsrechts“ (BVG-Präsident Andreas Voßkuhle) nach einer Klage der Grünen nun einmal mehr unter Beweis gestellt. Nichts weniger als verfassungswidrig war laut Urteil das Schweigen der Bundesregierung als Reaktion auf einige Kleine Anfragen der Grünen etwa zu Geschäftsvereinbarungen der Politik mit der Deutschen Bahn. Das ist ein starkes Bekenntnis der Karlsruher Richter zur Gewaltenteilung als einem der Grundpfeiler der Demokratie. Denn, um es mit dem englischen Philosophen Francis Bacon zu fassen: Wissen ist Macht.
Hinter dem harmlos anmutenden Begriff der Kleinen Anfrage verbirgt sich eines der mächtigsten Instrumente der Opposition, mittels dessen sie die Regierung zwingen kann, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Nur wenn die Oppositionsfraktionen ausreichend teilhaben am Regierungswissen, sind sie in der Lage, mögliche Missstände aufzudecken und ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Nur auf der Basis belastbarer Fakten kann sie die Amtsträger in der Regierung effizient kontrollieren und ein ernstzunehmendes Gegengewicht bilden.
In Zeiten, in denen in den USA mit Fakenews Wahlen gewonnen werden, ist Wahrheit ein hohes Gut geworden. Das Karlsruher Urteil sollte auch der SPD für ihre neue Rolle als Oppositionsführerin den Rücken stärken, die für sie die Chance auf einen Neuanfang birgt. Dann ist vielleicht eines Tages wieder sozialdemokratisch drin, wo SPD draufsteht. Noch bleibt dies ein frommer Wunsch.