Thyssen-Krupp: Ein echter Neubeginn sieht anders aus

Bei Thyssen-Krupp will niemand Fehler gemacht haben.

Im Zusammenhang mit dem Desaster um den Bau des Berliner Flughafens wurde oft und gewiss zu Recht die mangelhafte Leistung des Aufsichtsrats beklagt. Darin sitzende Politiker seien nun mal nicht qualifiziert, den Handelnden auf die Finger zu schauen. Das legt den Schluss nahe, dass Wirtschaftsexperten das besser können. Wirklich?

Das Beispiel Thyssen-Krupp mit dem erfahrenen Wirtschaftskapitän Gerhard Cromme an der Spitze des Aufsichtsrats widerlegt diese These. Es verblüfft schon, wenn von dem Stahlkonzern selbst in Auftrag gegebene Gutachten zum Ergebnis kommen, dass der Aufsichtsrat bei der Überwachung „guten Standards auf hohem Niveau gerecht geworden“ sei.

Ebenso die seltsam anmutende Reinwaschung der erst im Dezember geschassten drei Vorstandsmitglieder. Gegen diese liegen laut Vorstandschef Heinrich Hiesinger keine Hinweise auf ein persönliches Verschulden vor. Wenn also weder Vorstand noch Aufsichtsrat Fehler gemacht haben, wie konnte es dann zu den katastrophalen Missständen kommen?

Dass Manager nicht mit jeder betriebswirtschaftlichen Entscheidung richtig liegen, und dass Geschäfte auch zu Verlusten führen können — das ist so in einer Marktwirtschaft. Aber dass illegale Kartellabsprachen mit anderen Schienenlieferanten zulasten der Bahn, die zu Recht vom Bundeskartellamt mit 103 Millionen Euro Bußgeld geahndet wurden, weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat auffallen sollen, klingt abenteuerlich.

Solche Vorgänge beschädigen nicht nur das Image des Konzerns, sondern müssen auch verheerende Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben. Wie fühlen sich die Zehntausende Mitarbeiter, denen ein solches Geschäftsgebaren vorgelebt wird?

Vorstandschef Hiesinger will lieber nach vorn blicken, als weiter in der trüben Vergangenheit zu stochern. Das ist nachvollziehbar. Sein Job ist es, das Schiff wieder flottzukriegen. Doch ein Neubeginn kann nicht glaubwürdig sein, wenn die Vergangenheit bewältigt werden soll, indem die Fehler zwar zugegeben werden, aber niemand dafür verantwortlich gewesen sein soll. Die Verbitterung der Aktionäre ist zu verstehen. Während diese angesichts der schlechten Unternehmenslage keine Dividende erhalten, kassieren die Vorstände Boni.