Meinung Verantwortung liegt auch bei den Speditionen
Meist ist es eine Sache von Sekunden. Ein Moment der Unaufmerksamkeit, ein flüchtiger Blick auf das Display des Handys im Führerhaus eines Lkw, der ein Menschenleben für immer verändern — oder im schlimmsten Fall ganz auslöschen kann.
Wer angesichts der Zunahme der von Lkw verursachten Unfälle die Fernfahrer aber pauschal als die Sündenböcke unter den Verkehrsteilnehmern brandmarkt, macht es sich zu einfach. Die Mehrheit von ihnen übt ihren Beruf unter zunehmendem Druck mit größter Verantwortung und Gewissenhaftigkeit aus.
Dass Fernfahrer dennoch besorgniserregend häufig in schwere Unfälle verwickelt sind, offenbart vielmehr ein strukturelles Problem: Denn Logistikkonzepte mit engem Zeitrahmen und eine hohe Verkehrsdichte bringen die Fahrer, die oft aus dem europäischen Ausland stammen und lange in einem ihnen fremden Land unterwegs sind, an ihre körperlichen und psychischen Grenzen. Hier sind vor allem die Speditionen als Arbeitgeber gefordert, die Sicherheit ihrer Fahrer (und die der anderen Verkehrsteilnehmer) nicht auf dem Altar der Gewinnmaximierung zu opfern — durch unrealistische zeitliche Verpflichtungen gegenüber den Kunden.
So ist es nicht hinnehmbar, dass Pausenzeiten missachtet werden, weil ein Liefertermin drängt und viele Fahrer deshalb hohe Risiken für die eigene Fahrtüchtigkeit in Kauf nehmen. Manches Fahrzeug aus dem Ausland ist außerdem technisch veraltet und würde in Deutschland kaum durch den Tüv kommen.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass viele schwere Unfälle, die auf das Konto von Fernfahrern gehen, nur geschehen konnten, weil diese den Abstandhalter in ihrem Fahrzeug deaktiviert hatten. Um so unverständlicher ist es, dass der Gesetzgeber das mutwillige Abschalten dieser Automatik nicht ahndet. Was nützt die intelligenteste Technologie, wenn die Fahrer sie nicht nutzen? So manches Menschenleben hätte wohl gerettet werden können, wenn die Fahrer von dem Assistenzsystem auch konsequent Gebrauch machen würden, das seit 2015 in deutschen Fahrzeugen obligatorisch verbaut werden muss. Gerade beim traurigen Klassiker unter den Lkw-Unfällen, in denen ein Lkw ungebremst in das Ende eines Stau rast, würde die Technik wertvolle Dienste leisten.
Es ist lobenswert, dass die Autobahnpolizei Düsseldorf das Problem gezielt in den Fokus stellt. Es ist bitter notwendig.