Paukenschlag Beschuldigte sind nach Razzia auf freiem Fuß
Erkrath. · Der Einsatz vor einem Jahr galt als Schlag gegen die organisierte Schwarzarbeit in NRW.
Vor einem Jahr hatten in einem Hochhaus in Erkrath die Handschellen geklickt. Nahezu zeitgleich waren auch andere Wohnungen durchsucht worden, unter anderem in Ratingen und Monheim. Damals war ein Sondereinsatzkommando des Zolls zur Razzia „Moses“ angerückt, verhaftet wurden fünf Männer und eine Frau. Der Einsatz galt als größter Schlag gegen die organisierte Schwarzarbeit in NRW. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Die Angeschuldigten sollen über Jahre hinweg ein Scheinfirmengeflecht im Baugewerbe unterhalten haben. Die Ermittlungen hatten offenbar ergeben, dass Steuern in zweistelliger Millionenhöhe hinterzogen wurden. Allein der Hauptangeklagte, ein Mann aus Serbien, soll für einen Schaden von über 36 Millionen Euro mitverantwortlich sein, entstanden durch Steuerhinterziehung und vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge.
Und nun der Paukenschlag: Der 6. Großen Strafkammer reichten die Ermittlungsergebnisse offenbar nicht aus, um das Hauptverfahren vor dem Wuppertaler Landgericht zu eröffnen. Die Angeschuldigten wurden daher nach einem Jahr aus der Untersuchungshaft in die Freiheit entlassen.
„Es besteht die Vermutung, dass sie sich ins Ausland absetzen werden“, räumte der Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft Wolf-Tilman Baumert offen ein. Dort hat man nun Beschwerde eingelegt gegen die Nichteröffnung des Verfahrens und auch gegen die Aufhebung der Haftbefehle.
Sollte das Düsseldorfer Oberlandesgericht der Beschwerde stattgeben, würden sofort Fahndungsmaßnahmen eingeleitet werden, um die aus Serbien, dem Kosovo, der Ukraine und aus Israel stammenden Angeschuldigten erneut verhaften zu können.
„Die Staatsanwaltschaft geht weiterhin davon aus, dass die Beweise ausreichen“, so Wolf-Tilman Baumert. Beim Landgericht sei man hingegen der Ansicht, dass gründlicher hätte ermittelt werden müssen, um die genaue Schadenshöhe feststellen zu können. Der Vorwurf der Anklage ist umfangreich und komplex. Und auch das Scheinfirmengeflecht ist ausgeklügelt und äußerst kompliziert.
Unternehmen verschwanden schnell wieder von der Bildfläche
Verkürzt lässt sich sagen: Zur Firmengründung der im Handelsregister eingetragenen Baufirmen sollen die Angeschuldigten nach Deutschland gereist sein. Nur wenige Monate später sollen die Unternehmen von der Bildfläche verschwunden und deren Gründer für die Behörden nicht mehr auffindbar gewesen sein. In der Zwischenzeit hatten diese Strohfirmen anderen, in die Machenschaften eingeweihten Firmen diverse Scheinrechnungen ausgestellt.
Die Rechnungen für nicht getätigte Ausgaben wurden bezahlt, das Geld floss auf die Konten der Strohfirmen – und von dort bar und unter Abzug der Provision wieder zurück zu den Firmen, die zuvor die Rechnungen bezahlt hatten.
Von diesem Schwarzgeld sollen wiederum vermeintliche Minijobber bezahlt worden sein, die bei weitem mehr Stunden arbeiteten als bei einem 450-Euro-Job üblich. Auch gegen diese Firmen wird noch ermittelt, teilt die Staatsanwaltschaft mit.