Neue Wendung im Fall Schulze Föcking Rätselraten um „zweiten“ Hackerangriff
Düsseldorf · Die Aufklärung im Fall Schulze Föcking kommt mit Fragen um die Rolle der Staatskanzlei in die heiße Phase – da gibt es eine Neuigkeit.
Der Untersuchungsausschuss des Landtags um die sogenannte „Hacker-Affäre“ tritt am Freitag mit der Vernehmung zweier Zeugen in eine wichtige Phase. Und kommt gewissermaßen da an, wo ihn die Opposition haben möchte – in der Staatskanzlei. Nämlich bei der Frage: Welche Rolle spielte die Regierungszentrale der schwarz-gelben Koalition in der Sache? Gleichzeitig sorgt eine überraschende Nachricht für neue Verwirrung. Gab es noch einen Hacker-Angriff? Wobei die Frage freilich falsch gestellt ist, denn nach den Ermittlungen hatte es ja nicht einmal einen ersten Angriff gegeben. Aber der Reihe nach:
Wollte die Regierung aus dem
Fall politisches Kapital schlagen?
Im Sommer 2017, kurz nach Amtsantritt der mittlerweile zurückgetretenen Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU), wurden im Fernsehen Bilder aus dem Schweinemastbetrieb ihrer Familie in Steinfurt gezeigt. Eingedrungene Tierschützer hatten die Aufnahmen von Tieren mit schweren Verletzungen gemacht. Das führte zu massiven Bedrohungen gegen Schulze Föcking.
Und dann lief auch noch, es war der 15. März 2018, im Privathaus der Schulze Föckings unvermittelt auf dem Fernseher ein Video, in dem es um eine Landtagsdebatte zu den Vorkommnissen auf dem Hof ging. Diese waren da längst zum Politikum geworden. Der Verdacht: Jemand habe sich ins private Netzwerk der Familie gehackt und das Video ferngesteuert abgespielt. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben jedoch, dass die Videoübertragung ohne ein Eingreifen Dritter über einen Tablet-Computer von Schulze Föckings Mutter ausgelöst worden war. Doch die Ministerin unternahm wochenlang nichts, um das in der Öffentlichkeit richtigzustellen. Ebenso wenig tat das die Landesregierung. Um die Opferrolle der politisch angeschlagenen Ministerin aufrechtzuerhalten? Das jedenfalls glaubt die Opposition, die nach Bekanntwerden der Vorfälle noch ihre Solidarität mit Schulze Föcking erklärt hatte.
In diesem Zusammenhang spielt eine Erklärung von Regierungssprecher Christian Wiermer eine besondere Rolle. Der hatte bereits einen Tag nach dem vermeintlichen Hackerangriff von „offenkundig kriminellen Eingriffen in die Privatsphäre der Ministerin“ gesprochen. SPD und Grüne wollen Wiermer am Freitag als Zeugen in die Zange nehmen. Genauso wie den Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski.
Der in Frageform gekleidete Vorwurf der Opposition: Bevor die polizeilichen Ermittler den Sachverhalt geklärt hatten, wurden von der Staatskanzlei Tatsachen geschaffen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Um aus der Opferrolle Schulze Föckings politisches Kapital zu schlagen. Als sich herausgestellt hatte, dass es keinen Hacker-Angriff gegeben hatte, unternahmen wochenlang weder die politisch angeschlagene Ministerin noch die Landesregierung etwas, um die selbst in die Welt gesetzte Darstellung richtigzustellen.
Besonders bizarr wird die Sache durch einen jetzt bekannt gewordenen Vorgang. In einer WE-Meldung (Meldung wichtiger Ereignisse für die behördeninterne Information) steht, dass Schulze Föcking am 28. Februar 2019 bei der Polizei „einen zweiten Cyberangriff auf ihr Heimnetzwerk“ gemeldet habe. Dabei sei erneut ein Film auf den Fernseher „eingespielt“ worden. Dies soll bereits am 24. November 2018 geschehen sein.
Andreas Bialas, Obmann für die SPD im Ausschuss um die Hacker-Affäre, fragt sich, ob denn dann im November erneut Ermittlungen angelaufen seien. Wie damals in dem ersten Fall, der am Ende gar keiner war. Höchst seltsam findet er, dass Schulze Föcking in ihrer Zeugenvernehmung im Ausschuss am 26. November – nur zwei Tage nach dem nun von ihr angezeigten Vorfall – kein Wort davon gesagt hat.
In der Tat hatte Schulze Föcking in der Ausschusssitzung ausführlich die Bedrohungslage für sich und ihre Familie geschildert. Aber nicht erwähnt, dass es da eine „zweite“ Manipulation ihres Fernsehers gegeben habe.
Auf die Frage, ob er angesichts der anstehenden wichtigen Zeugenvernehmungen eine Absicht hinter all dem vermutet, sagt SPD-Mann Bialas nur: „Ich kann mir vorstellen, dass es da eine Absicht gibt. Welche, das weiß ich selbst noch nicht.“