Lesen Von Cremeschnittchen und Fledermausflossen

Köln · Welches Auto gab es nur ohne Lenkrad? An welchem Wagen hatten die Heckflossen wirklich eine Funktion? Wo konnte man vorne und hinten einsteigen? Und wie kam das Cremeschnittchen zu seinem Namen? Diese und andere Fragen beantwortet der Kölner Oldtimerfan Martin Nusch, der seine 111 liebsten Schätzchen vorstellt, die in den 50er und 60er Jahren das Straßenbild prägten.

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Foto: Verlag/Emons

Der Autor selbst ist mit seinem Mercedes 200 D aus den 60er Jahren unterwegs. Markant sind die Heckflossen, die vom Hersteller gerne als „Peilstege“ zum einfacheren Einparken vermarktet worden sind. Noch markanter und größer sind die „Fledermausflossen“ übrigens beim Chevrolet Impala Convertible aus den 50ern in Nordamerika.

Zu den besonderen Fahrzeugen gehört der Messerschmitt KR 175, der eher einem Flugzeug als einem Auto gleicht. Hier erinnert nicht nur das nicht vorhandene Lenkrad an einen Flieger. Auf drei Rädern war der günstige Kabinenroller unterwegs, der dank seines windschnittigen Designs auch richtig schnell sein konnte.

Der kleinste Oldtimer ist der aus Kunststoff bestehende Peel P50 

Vorne und hinten einsteigen konnte man beim Zündapp Janus, der neben seinen zwei Sitzen auch über zwei baugleiche Türen vorne und hinten verfügt. Nur eine Tür hat neben der kultigen Isetta auch der kleinste Oldtimer in diesem Buch – der Peel P50, dessen Heimat die Isle of Man ist. Der ziemlich beschwerliche Einstieg in das Kunststofffahrzeug erfolgt von der Seite.

Fehlt noch das Cremeschnittchen – der Renault 4CV. In Frankreich bekam er wegen seiner buttergelben Farbe den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Motte de Beurre“, was im Deutschen dem Butterklumpen entspricht. Weitere Autos mit bekannten Spitznamen sind zum Beispiel der Leukoplastbomber Lloyd LP 300, der Fiat 500 C – il Topolino, der Ford Taunus 17 M – die Badewanne, der Citroën 2CV – die Ente, der Polizeiwagen BMW 502 besser bekannt als der Barockengel, der Adenauer – Mercedes 300 oder der VW-Bus, den jeder nur als Bully kennt.

Auch die Wagen von Prominenten werden im Buch vorgestellt. Dazu gehört der von Dustin Hoffmann im Film „Die Reifeprüfung“ gefahrene Alfa Spider 1600 genauso wie das Bond-Auto Aston Martin DB5 oder der Autobianchi Bianchina, mit dem beim „Rosaroten Panther“ eine der schrägsten Verfolgungsfahrten stattfand. Unvergessen ist ebenfalls der 1959 Cadillac Miller-Meteor Futura, der von den „Ghostbusters“ zum Dienstfahrzeug umgebaut wurde. Etwas einfacher konstruiert ist das der Citroën Méhari, der bei Louis de Funès Einsatz als Gendarm in Saint-Tropez zum Einsatz kam.

Vorgestellt werden außerdem ungewöhnliche Fahrzeuge wie das Amphicar 770, mit dem man wie der Kölner Marco Schuh auch auf dem Rhein unterwegs sein kann – vorausgesetzt man besitzt einen Sportbootführerschein. Als Gangstercitroën ging der Citroën Traction Avant in die Geschichte des Automobils ein. Einige Exemplare wurden übrigens auch in Köln-Poll hergestellt. Ein Kölner Italiener war dagegen der OSI Ford 20M TS, der im klassischen Rot ein wenig an einen Ferrari erinnert.

Die Stärke des neuen Oldtimerbuchs ist, dass sich der Autor nicht nur in die technischen Details verliebt, sondern die Geschichten rund um die Fahrzeuge und ihre Besitzer höchst unterhaltsam erzählt. Denn gerade die 50er und 60er Jahre waren für Autofans die wohl aufregendsten und experimentierfreudigsten Zeiten - vom Supersportler bis zum irren Kleinwagen. Viele der Sammler stammen aus der Region rund um Köln, sodass die Chancen gut stehen, einem der alten Schätzchen leibhaftig auf der Straße zu begegnen.

 

Martin Nusch: 111 Oldtimer-Stories der 50er & 60er Jahre, die man kennen muss, Emons-Verlag, 308 Seiten, 30 Euro