Bei der Diskussion um das Interkommunale Gewerbegebiet wurde von einigen darauf verwiesen, die bisherigen Gewerbegebiete in Meerbusch seien gar nicht voll belegt. Was ist da dran?
Meerbusch „Die Nachfrage der Unternehmen nach Flächen geht wieder nach oben“
2019 fragten beim Wirtschaftsförderer 110 Firmen nach einem Standort an, davon 88 nach Grundstücken.
Stephan Benninghoven: Die Aussage kann man nicht so stehen lassen. Die Stadt selbst verfügt noch über drei Gewerbegrundstücke, für zwei Flächen werden derzeit Verkaufsgespräche geführt. Ein größerer Leerstand bestand in der Vergangenheit beispielsweise in einem Bürokomplex im „alten“ Mollsfeld, unter anderem, weil die Büroqualität nicht mehr dem aktuellen Standard entsprach. Teilflächen konnten nach baulicher Herrichtung allerdings zwischenzeitlich an Unternehmen, die im Business-Park angesiedelt sind und bei denen Expansionsbedarf bestand, vermietet werden. Die Wirtschaftsförderung versucht bei Standortnachfragen, weitere Unternehmen an diesen Standort zu vermitteln.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie Anfragen von Firmen nach einem Standort bekommen?
Benninghoven: Die Wirtschaftsförderung erfasst systematisch alle Leerstände und verschafft sich regelmäßig über Immobilienscout einen Überblick, wo Flächen angeboten werden. Häufig geben uns Hausverwaltungen und Eigentümer direkt ihre Angebote weiter. Bei Standortnachfragen vermitteln wir dann den Kontakt und übernehmen eine Lotsenfunktion.
Warum bleiben Gewerbeimmobilien leer stehen?
Benninghoven: Grundsätzlich haben sich die Anforderungen von Unternehmen geändert. Es zählt heute nicht nur die Zweckmäßigkeit eines Gebäudes, es muss auch von außen als Visitenkarte des Unternehmens repräsentativ sein. Die Themen Glasfaseranschluss, ÖPNV-Anbindung und ein Versorgungsangebot für Mitarbeitende spielen eine zunehmend wichtiger werdende Rolle. Seit längerer Zeit steht etwa ein Bürogebäude mit einer blauen Glasfassade an der Marienburger Straße, Ecke Neusser Straße in Büderich leer, welches aus den genannten Gründen schwer vermietbar ist. An der Fritz-Wendt-Straße in Strümp gibt es größere Lagerhallen mit knapp 11 000 Quadratmetern Fläche, die komplett oder teilweise gemietet werden können. Die Hallen haben eine Höhe von unter acht Metern. Das ist für viele Interessenten nicht ausreichend, es werden Hallen von acht bis zu zwölf Metern nachgefragt.
Ist fehlender Glasfaseranschluss in Meerbusch ein Thema?
Benninghoven: Unter anderem verfügt der Standort Alte Seilerei an der Meerbuscher Straße noch über keinen allgemeinen Glasfaseranschluss. In elf Gebäuden sind 55 Gewerbeeinheiten untergebracht, einige verfügen über einen individuellen Glasfaseranschluss, andere eben nicht. Gerade im Bereich der Gewerbeflächen wäre es dringend erforderlich, mit Förderprogrammen zeitnah den Ausbau des Glasfasernetzes realisieren zu können.
Welche Art von Firmen fragen denn in Meerbusch wegen eines Standorts an?
Benninghoven: Das ist ein großer Branchenmix. Etwa ein Viertel der Anfragen kommen aus dem Dienstleistungsbereich, aus dem Handel etwa 20 Prozent, aus der Gesundheitswirtschaft mit Praxen und Sport- und Fitnessanbietern etwa 13 Prozent, Herstellung und Produktion etwa zehn Prozent. Das variiert natürlich etwas von Jahr zu Jahr. Vor allem kleine und mittelständische Firmen fragen an, seltener größere. Über NRW Invest erhalten wir anonyme Anfragen, die über den Rhein-Kreis an uns weitergeleitet werden. Meist geht es um Flächen zwischen 30 000 und 80 000 Quadratmeter. Das können wir nicht bedienen.
Wie viele Anfragen haben Sie denn?
Benninghoven: 2019 hatten wir 110 Standortanfragen, davon haben sich 88 nach Gründstücken erkundigt, allein 19 davon nach einer Größe ab 20 000 Quadratmeter.
Sie sprachen von drei freien Gewerbegrundstücken. Warum werden Sie die nicht los?
Benninghoven: Wir legen Wert darauf, dass die Unternehmen in die Branchenstruktur des Gewerbegebietes passen und die Gebäude eine gute städtebauliche Qualität erfüllen. An einem hochwertigen Dienstleistungsstandort wie dem Business-Park Mollsfeld möchten wir weder einen Industriebetrieb noch eine Autowerkstatt ansiedeln. Zudem ist es für uns wichtig, Unternehmen anzusiedeln, die Arbeitsplätze schaffen und Gewerbesteuer generieren. Für die beiden großen Flächen laufen ja bereits Verkaufsverhandlungen.
Welche Faktoren spielen für Gewerbegebiete künftig noch eine größere Rolle? Bei der Diskussion um das Interkommunale Gewerbegebiet kam auch zur Sprache, dass eine Mischung von Wohnen/Leben und Arbeiten gewünscht sei. Was halten Sie davon?
Benninghoven: Grundsätzlich haben sich die Anforderungen an Gewerbegebiete verändert. Neben der Festlegung einer Branchenstruktur muss die Schaffung von Infrastruktur, Quartiers- und Versorgungsangeboten und Grünflächen mitgedacht werden. Auch ein Betreuungsangebot für Kinder im Gewerbegebiet hätte einen großen Mehrwert. Abgetrennt zum Beispiel durch einen Grünwall kann ich mir durchaus auch die Schaffung von Wohnraum in räumlicher Nähe von Gewerbegebieten vorstellen.
Welche Rolle spielt der Wandel in der Wirtschaft durch Corona? Viele Unternehmen behalten das Homeoffice zumindest in Teilen bei. Macht sich das bei der Nachfrage bemerkbar?
Benninghoven: Man wird die Entwicklung abwarten müssen, im März/April hat es kaum Nachfragen ansiedlungswilliger Unternehmen gegeben. In den vergangenen Wochen sind sie wieder angezogen, wir sind jetzt auf dem Stand wie im vorigen Jahr. Gleichwohl glaube ich, dass die Erfahrungen aus der Pandemie zu einem Umdenken führen und sich somit auch in den Planungen von Firmen niederschlagen werden.