Azubis müssen nicht alles schlucken
Missbrauch, Schikane, Ausbeutung: In solchen Fällen entziehen die Kammern auch die Erlaubnis auszubilden.
Düsseldorf. In einer Ausbildung kann es immer mal wieder knirschen. Da hat ein Azubi eine lasche Arbeitseinstellung, kommt gern zu spät, lässt sich nicht regelmäßig in der Berufsschule blicken.
„Das sind für uns Alltagsprobleme“, sagt Clemens Urbanek, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) für den Bereich Ausbildung. In solchen Fällen sind die sechs Ausbildungsberater der Kammer gute Ansprechpartner. Aber sie müssen zuweilen auch in der anderen Richtung intervenieren. „Es kommt immer wieder vor, dass es Fehlverhalten auf der Arbeitgeberseite gibt.“
Urbanek hat einen krassen Fall erlebt. Da hatte sich ein Chef in seine Schülerpraktikantin verliebt — und ließ sich von ihr im Adamskostüm massieren. Die Kammer entzog dem Mann sogleich die Ausbildungserlaubnis.
Von Christian Henke, Urbaneks Amtskollege bei der Handwerkskammer, ist Ähnliches zu hören. „Da hat eine junge Frau in einer männlich dominierten Branche in einer Firma massive Belästigungen erfahren müssen.“ Die unflätigen Beleidigungen führten ebenfalls zur Aberkennung der Ausbildungserlaubnis.
Die Kammern hören bei den Beschwerden zunächst den Azubi an, dann dessen Kollegen und schließlich den Unternehmer. „Wir holen, wenn sich der Verdacht erhärtet, den jungen Menschen aus der Firma heraus und verschaffen ihm eine neue Stelle“, sagen Urbanek und Henke unisono.
Geht es um strafbare Handlungen, wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die deftigen Ohrfeigen, die ein angehender Handwerker verpasst bekam, führen dann auch zu einer Bestrafung der Verantwortlichen.
Immer wieder laufen bei den Kammern auch Beschwerden auf, die teils groteske Überschreitungen der Arbeitszeit zum Inhalt haben. Beispielsweise in einem kaufmännischen Betrieb, dessen Fall noch vor Gericht anhängig ist. „Dort war alles geregelt, selbst der Weg zur Post und zurück, der in dieser Weise nicht zu schaffen war“, sagt Urbanek. Wenn dann noch Arbeiten an Sonn- und Feiertagen hinzukommen, summiert sich die Wochenarbeitszeit schnell auf mehr als 48 Stunden. „Das muss niemand akzeptieren. Beide Seiten müssen wissen, dass sie Rechte und Pflichten haben.“
Tatsächlich aber fehlt bei den jungen Menschen ein Gefühl dafür, was sie sich gefallen lassen müssen und was nicht. Oft kommen auch aus den Elternhäusern gegenläufige Signale. Urbanek: „Da heißt es, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind und dann wird noch die Warnung hinterhergeschoben: ,Wer weiß, ob du was anderes kriegst.’“
Aber selbst bei Aufklärung der Unternehmer blieben diese zuweilen stur und ziehen vor Gericht, um weiter ausbilden zu dürfen. Etwa ein Chef, der meinte, seine Azubis weltanschaulich bilden zu müssen. Da waren Erleuchtungsschriften „freiwillig“ zu lesen, Abfragetests folgten. Wer nicht mitmachte, wurde zum Feind erklärt und musste in seiner Freizeit in der Firma Kompensationsarbeiten durchführen, etwa Bilderrahmen aufhängen.