Heine-Uni: Von Klonbabys und Superpflanzen

Bei „Heine meets Huxley“ der Sommer-Universität geht es auch um die Frage, wie schön die „Schöne neue Welt“ ist — und was Genmanipulation damit zu tun hat.

Foto: Inge Hufschlag

Düsseldorf. Vor fast genau 40 Jahren, am 25. Juli 1978, kam Louise Brown in England zur Welt. Das erste Retorten-Baby. Inzwischen gibt es weltweit etwa sechs Millionen Menschen, die ihre Existenz einer künstlichen Befruchtung verdanken. In Deutschland gelang sie erstmals 1982: ein Junge. Reproduktionsmedizin ist Thema der Uni Düsseldorf bei ihrem Projekt „Heine meets Huxley“ und der Auftaktveranstaltung: „Schöne neue Welt — Von Klonbabys und Superpflanzen“.

„Und dies ist der Befruchtungsraum“ kündet ein Plakat-Aufsteller vor dem Haus der Universität. Drinnen geht es allerdings mehr um geistige Befruchtung. Uni-Rektorin Anja Steinbeck verweist auf das Zitat aus Shakespeares Sturm: „Oh schöne neue Welt, die solche Einwohner hat.“ Die, die Huxley in seinem (Schulbuch-)Klassiker „Brave New World“ ausmalt, wirft die Frage auf: „Ist es der Anfang vom Ende, wenn der Mensch Schöpfer spielt?“

Wie das aussehen könnte, wird in der Lesung des ersten Kapitels plastisch: Da treiben Eizellen Knospen für über 90 Klon-Babys. Huxley lässt Embryonen manipulieren, zum Beispiel durch Sauerstoffentzug. Weil: zu viel Intelligenz könnte schädlich sein. In den Brutkästen herrscht strikte Geschlechtertrennung: Die weibliche Brut schlummert bei 37, die männliche bei 35 Grad, denn, so Huxley, „normale Temperatur macht unfruchtbar.“

Schon der Schriftsteller experimentierte in seinem Zukunfts-Roman mit entnommenen Eierstöcken. Darauf brauchen wir kein halbes Jahrhundert zu warten, erklärt Professor Jan-Steffen Krüssel, an der Düsseldorfer Uni Leiter des Kinderwunschzentrums, übrigens des größten im deutschsprachigen Raum. Ungewollte Kinderlosigkeit sei bei uns leider, anders als in Amerika, noch ein Tabu. Dabei seien 20 Prozent aller Paare im fortpflanzungsfähigen Alter betroffen, quasi jede sechste Partnerschaft. Denen könne geholfen werden.

Das Thema seien aber nicht Designer-Babys: „Zu mir ist noch nie ein Paar gekommen, das sich ein Baby mit blauen Augen und blonden Haaren wünschte“. Es gehe beispielsweise um den Erhalt der Fruchtbarkeit einer jungen Frau, die sich wegen einer Krebserkrankung einer Chemo-Therapie unterziehen muss. Auch um das so genannte Social Freezing, das Verschieben des Kinderwunschs durch das Einfrieren der Eizellen. Denn da ticke die Uhr bei der Frau anders als beim Mann. Nicht das Alter der Mutter sei entscheidend, sondern das der Eizellen. Und die können in der Cryo-Bank der Uni frisch gehalten werden.

Fortbestand der Menschheit ist das eine Thema, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung hängt eng damit zusammen: Professorin Maria von Korff setzt auf Superpflanzen, aus denen Super Food wird. Die sprießen nicht erst seit heute durch Fach- und Kochbücher und haben sich im Laufe der Zeiten quasi von selbst entwickelt: „Der ursprüngliche Apfel war nicht prall und rot wie auf einem Gemälde des Sündenfalls im Paradies, sondern klein und bitter“. Auch die Tomate und der Blumenkohl sahen früher anders aus, und der Mais schon irgendwie abgefressen vor der Ernte.

Es müsse auch nicht die verdammte Genmanipulation sein, die mildere Form sei Genom-Editierung. Soll heißen, man verändert durch Einschnitte behutsam das vorhandene Erbgut, wobei man das natürliche Reparatursystem der Pflanzen nutzt: Die Tomate blüht früher, schafft mehrere Ernten, alles tageslichtunabhängig. Von Korffs Antwort auf die Frage in der Expertenrunde, ob die Natürlichkeit einer Pflanze heute noch einen eigenen Wert habe: „Hat sie schon lange nicht mehr.“ Warum schmeckt Gemüse nicht mehr wie früher?“ Antwort: „Holländische Treibhäuser“. Für die kleine individuelle Lösung bräuchte man keine Wissenschaft, sondern einen eigenen Garten.

Im interaktiven Teil durften die Teilnehmer in verschiedenen Gruppen zu grüner, roter oder weißer Gentechnik von der Hand in den Mund den Unterschied von echten und unechten Käsewürfeln erforschen. Geschmacksache. Denn: „Es kommt auf die Fütterung an“. Nicht der Wissbegierigen, sondern der wiederkäuenden Kuh, die das Lab für den Käse liefert.