Düsseldorfer Schauspielhaus bringt Fußball-Inszenierung unter freiem Himmel Glaube, Liebe, Fußball
Düsseldorf · Open-Air-Theater und Fußball-Europameisterschaft fallen 2024 zusammen. Aus dieser Not macht das Schauspielhaus eine Tugend und präsentiert die theatralische Inszenierung eines Spiels aus Sicht der Fans.
Man nehme ein paar Quadratmeter Kunstrasen, stelle eine Torwand in den Raum und lege dann einen Fußball in gebührendem, aber nicht ehrabschneidendem Abstand davor – und schon wird durch die sogenannte schönste Nebensache der Welt alles Schöne zur Nebensache.
So jedenfalls muss man die Szenerie im Foyer des Düsseldorfer Schauspielhauses beschreiben, das zur Vorstellung seines sommerlichen Open-Air-Theaters geladen hat. In diesem Jahr allerdings begibt es sich, dass zur Fußball-Europameisterschaft der Gustaf-Gründgens-Platz zum offiziellen Fan-Village mit Public Viewing auserkoren wurde. Was also tun? Einfach das Beste draus machen. Und das Beste ist in diesem Fall eine möglichst theatralische Fußballinszenierung.
Das Schauspielhaus wird sich also alle Mühe geben, ab dem 24. Mai unter freiem Himmel all das unter einen Hut zu bringen, was sonst im Kleinen und Großen Haus zu sehen ist: nämlich Tragödien und Komödien, Dramen und Farcen. Weil derartige Ereignisse vom Fußballfeld schon oft beschrieben wurden, haben die beiden Regisseure Leonhard Koppelmann aus Aachen und Peter Jordan – Schwamm drüber: ein gebürtiger Dortmunder – einfach ihren Blick gedreht und sich eine Zuschauertribüne vorgestellt. Was passiert da eigentlich? Lässt sich in den Gesängen, im Jubel, in der Verzweiflung und im Bangen ablesen, was sich vor ihren Augen auf dem Rasen abspielt? Und findet genau dort nicht auch ein großes Drama statt, bei all den Menschen, für die der Fußball mitunter zur eigentlichen Religion geworden ist?
Daraus hat sich auch der Titel ergeben: „Glaube, Liebe, Fußball“ – ein Dreiklang mit biblischem Ursprung. Im 1. Korintherbrief steht der berühmte Satz: „Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei. Doch am größten von ihnen ist die Liebe.“ Statt Hoffnung steht nun der Fußball, und auch das ist ja schon eine Aussage. Ansonsten hat das, was das Düsseldorfer Theater- und Fußballpublikum auf dem Gründgens-Platz erwarten wird, noch ein recht offenes Ende. So viel aber steht vor Spielanpfiff zumindest fest: Auf der großen Videowall werden in der Inszenierung magische Fußballmomente aus dem Archiv der Fifa aus den vergangenen vier Jahrzehnten eingeblendet. Zudem wird gegenüber der Tribüne für die Theaterzuschauer eine Fanbühne für die Schauspielerinnen und Schauspieler aufgebaut.
Das ist die eigentliche Bühne. Einige Ensemblemitglieder werden dort sitzen und agieren, sowie Studierende des Schauspielstudios Düsseldorf der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Damit sind die Ränge dieser Fantribüne allerdings noch nicht ausverkauft, was sich für eine Europameisterschaft aber natürlich gehört. Also sollen dort auch ganz „normale“ Fußballfans Platz nehmen dürfen. Ihre Eintrittskarte wird ein Casting sein, das mit einem Auswahlworkshop am 6. März beginnt. Gesucht werden Fans (im günstigsten Fall Theater und Fußball) aller Altersgruppen. Wer tanzen will und tanzen kann, ist bei dem Casting im Vorteil; und wer etwas Erfahrung hat mit Schlag- und Blasinstrumenten, ist es auch.
Beim ersten Info-Treffen wird es erst einmal darum gehen, was auf die Bewerber zukommen wird – mit immerhin fast 20 Vorstellungen bis Mitte Juli und den Proben schon ab 1. April. Wer dann immer noch mitmachen kann und will, muss anschließend die Hürde eines Auswahlworkshops nehmen, also das eigentliche Casting am 9. März.
Zudem wird es nach den Worten von Peter Jordan zwei Moderatoren geben, die das imaginäre und für alle Beteiligten unsichtbare Fußballspiel kommentieren. Die eigentliche Bühne sind die Fans. Ihre Darstellung ist so etwas wie eine Fankultur und im besten Fall auch ein Abbild der Gesellschaft.
Für Generalintendant Wilfried Schulz ist das ein willkommener Brückenschlag. Denn mit einer Fantribüne, auf der in der Regel viele Altersgruppen aus unterschiedlichen sozialen Schichten zusammenkommen, findet sich auch sein Wunsch von einem Theater inmitten einer Stadtgesellschaft. Auch darum bleibt es nicht bei der Inszenierung und dem Public Viewing. Ein umfangreiches Rahmenprogramm wird es geben: Mit einem großen Bürger-Dinner unter dem Titel „Oh Fußball, wohin gehst du?“, einem Poetry-Slam und der Inszenierung des Jungen Schauspiels „Der Spielverderber“ soll der Platz vor dem Theater praktisch keinen Tag zur Ruhe kommen.
Oberbürgermeister Stephan Keller hat zudem ermutigende Zahlen für das Open-Air-Theater, das von den Düsseldorfer Stadtwerkern maßgeblich unterstützt wird. Schließlich würden sich rund 80 Prozent der Düsseldorfer auf die Europameisterschaft freuen, und fast 70 Prozent wollen die Fan-Zonen besuchen.
Dem offiziellen folgte dann der eigentliche Teil: natürlich mit dem Torwandschießen. Wilfried Schulz hatte sich dafür extra Sneaker angezogen, die aber nicht die erhoffte Leistungssteigerung erkennen ließen. Keller hingegen erzielte mit Straßenschuhen direkt zwei Treffer unten rechts, ein Schuss oben links streifte immerhin das Einschussloch. Der Mann des Tages aber war – nach Meinung vieler Beobachter am Spielfeldrand – Stefan Fischer-Fels. Schließlich ist der Leiter des Jungen Schauspiels in Düsseldorf auch im Besitz eines Fußballtrainerscheins.