Mit Harry Potter zur Vorlesemeisterin
Lina Heise und Maria Laux sind Düsseldorfs beste Vorleserinnen. Dahinter steckt keine Magie, sondern viel Vorbereitung.
„Und was soll ich mit diesem Fetzen anfangen?“. Diese Zeile aus dem Buch „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ hatte sich Lina Heise deutlich sichtbar angestrichen. Es ist der Beginn des Textabschnitts, den sich die Zwölfjährige für das Finale des Vorlesewettbewerbs des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ausgesucht hatte.
Die Schülerin des Comenius-Gymnasiums ist Siegerin für den Düsseldorfer Norden geworden. „Ich war total aufgeregt und habe am Anfang einen roten Kopf bekommen“, sagt sie. Verständlich, schließlich saßen die sieben jungen Lesebegeisterten beim regionalen Finale auf der großen Bühne im Jungen Schauspielhaus — inklusive Rampenlicht und imposanter Bühnendeko. Insgesamt hatten 41 Schulen beim 59. Vorlesewettbewerb des Börsenvereins ihre besten Vorleser ins Rennen geschickt.
Ein Finale so knapp und spannend wie bei den kürzlich zu Ende gegangenen Olympischen Winterspielen — diesen Vergleich zog Hans-Jürgen Gürke, kurz bevor er die beiden Siegerinnen des Vorlesewettbewerbs in Düsseldorf bekannt gab. „Die Jury hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte der kommissarische Leiter der Gemeinschaftshauptschule Benrath.
Die Spannung im Publikum war da schon seit Minuten greifbar. Mitschüler, Freunde, Eltern und Lehrer waren gekommen, um den jungen Vorlesern die Daumen zu drücken. Dann ging das Licht aus und auf der Publikumstribüne im Jungen Schauspielhaus wurde es schlagartig ganz still, bevor die strahlenden Siegerinnen auf die Bühne gerufen wurden.
Die anfängliche Aufregung war Lina Heise nicht anzumerken, entschied die Jury. Die Passage, in der Zauberschüler Harry Potter von einer magischen Karte erfährt, auf der beispielsweise seine Lehrer als leuchtende Punkte zu sehen sind, konnte überzeugen. „Als Vorbereitung habe ich den Text immer wieder verschiedenen Leuten vorgelesen“, erklärt Heise.
Gut vorbereitet war auch die Siegerin für den Düsseldorfer Süden in das Finale des Wettbewerbs gegangen. Immer wieder hatte Maria Laux sich von ihren Eltern Texte vorlegen lassen, die sie nicht kennt. Denn in dem Regionalfinale musste die Schülerin des St.-Ursula-Gymnasiums auch eine Passage aus einem Buch lesen, das ihr vorher nicht bekannt war. Dabei habe Laux besonders darauf geachtet, langsam zu lesen. Wenn die Aufregung steige, werde oft zu schnell gelesen, erklärte die Zwölfjährige.
Ihre beste Trainerin sei übrigens ihre Mutter. „Wir lesen uns immer gegenseitig vor, jeder ein paar Seiten“, sagte Laux. Nur wenn Schularbeiten anstünden, lese sie nicht so viel. Übung, die sich bemerkbar machte. Denn die Konkurrenz unter den Finalisten war stark. „Es ging nur um einen Punkt Unterschied, gerade die Fremdtexte wurden sehr gut gelesen“, sagte Theaterpädagoge Thiemo Hackel, der in der vierköpfigen Jury saß.
Die bewertete die Lesevorträge jeweils in den Kategorien „Wahltext“ und „Fremdtext“. Geachtet wurde unter anderem auf das Textverständnis, einen sicheren Vortrag und eine passende Betonung. Für Marlene Beckmann von der Stadt, die den Wettbewerb in Düsseldorf organisierte, ist Vorlesen ein wichtiger Teil der Erziehung. „Kinder sehen andere Welten, es erweitert ihren Horizont“, sagte sie. Außerdem könne durch das Ritual des Vorlesens ein anderer familiärer Zusammenhalt entstehen. Vorlesemeisterin Maria Laux wird die Freude am Vorlesen nicht so schnell vergehen.
„Es macht Spaß, anderen zu zeigen, was man mag“, sagte sie. Demnächst darf sie sich auf Landesebene mit den besten Vorlesern aus ganz Nordrhein-Westfalen messen. Ein genauer Termin dafür steht noch nicht fest.