Nach dem Rethel-Skandal: Rotlicht kämpft gegen Zwielicht

Durch den Betrugsskandal um die Wollersheim-Bordelle wirkt das Geschäft mit der Liebe verruchter denn je. Deshalb öffnet ein Bordellchef jetzt seinen Club und spricht Klartext.

Düsseldorf. Um 20 Uhr knipst Oliver Kirsch jeden Abend das rote Licht im Vip-Club an der Rethelstraße an. Der 32-jährige Düsseldorfer ist neuer Geschäftsführer und Gesicht des Edel-Bordells. Und damit schon etwas Besonderes. Denn in dieser Branche Gesicht zu zeigen, statt sich in die Intimität verschlossener Türen zurückzuziehen, war in Düsseldorf bislang dem Paradiesvogel Bert Wollersheim vorbehalten, der sogar Promi-Status erreichte.

Doch ausgerechnet der Skandal um angebliche großangelegte Betrügereien in dessen Bordellen an der Rethelstraße — und in direkter Nachbarschaft zum Vip-Club — brachten das Geschäft mit der Liebe in Verruf. „Man merkt einen Einbruch“, sagt Oliver Kirsch. Er will das Image des Freudenhauses jetzt wieder aufmöbeln. Mit viel Offenheit. Sogar ein Tag der offenen Tür ist geplant.

Wem gehören die Bordelle? Wer zieht die Strippen im Hintergrund? Wie sind die Damen angestellt, wie viel Geld lässt sich machen, wie sieht es hinter den abgehängten Fenstern aus? Diese Fragen, die der breiten Öffentlichkeit meist unbeantwortet bleiben, verleihen dem Milieu einen Hauch von Halbwelt. Deshalb will Oliver Kirsch die Türen an der Rethelstraße öffnen.

Dazu ist übrigens außerhalb der Öffnungszeiten zwischen 20 Uhr und dem frühen Morgen ein Fingerabdruck-Scan an der Tür notwendig. Erst dann gelangt man in den dunkel gestrichenen Club, in die Bar mit schwarzen Ledercouches, Zigarren-Humidor und teuren Champagnerflaschen in Kühl-Vitrinen (240 bis 1000 Euro pro Flasche) — und zu dem rot erleuchteten Wegweiser. „Roman Room“ steht dort, „African Room“ und „Darkroom“.

Der Vip-Club verfügt über fünf Themenzimmer und drei Suiten. Im Afrika-Zimmer warten Zebrastreifenwände, Leopardenfellsofa und eine Elefantenstatue auf die Gäste, im Römer-Raum sind es Säulen und antik anmutende Wandmalereien, im Darkroom Käfige, Nieten, Peitschen und ein rotes Lederkreuz mit Manschetten zum Anketten.

Unbestrittenes Aushängeschild ist indes die 300-Quadratmeter-Suite im obersten Stockwerk. Ganz in Weiß, mit 4,5-mal-4,5-Meter-Bett, Ledergarnituren, Pole-Dance-Stange, 3D-Kino und Riesen-Whirlpool im schwarz gekachelten Extra-Bad mit weißen Marmor-Elementen.

Hinter so viel Luxus stecken harte Zahlen. Oliver Kirsch klärt auch hierbei auf: 300 Euro pro Stunde kosten die Zimmer, 800 die Suiten und 1000 Euro das Filetstück unterm Dach. Inklusive Dame. „Sie sind bei uns nicht angestellt, sondern freiberuflich tätig“, sagt der 32-Jährige.

Die Prostituierten bekommen die Hälfte des Zimmerpreises — will der Gast zwei Damen mitnehmen, zahlt er doppelt. Abgerechnet wird am Tag danach, die Frauen erhalten ihren Verdienst abzüglich Mehrwertsteuer.

Zusatzarrangements mit dem Gast — extra Praktiken gegen extra Geld — sind nicht erwünscht. „Wir wollen den Gästen das Geld nicht aus der Tasche ziehen“, sagt Kirsch. Das ist ihm nach den unrühmlichen Schlagzeilen in der Szene wichtig. „Man wird einfach mit in diese Schiene gedrückt“, sagt er.

20 bis 30 Frauen arbeiten im Vip-Club, in Messezeiten kommen bis zu 70 Gäste pro Nacht. Auch Prominente. Natürlich. Für sie gibt es einen Abholservice und einen separaten Eingang. Mehr wird nicht verraten.

Auch über den Umsatz spricht Oliver Kirsch nicht gern. Dafür über monatliche Gesundheitszeugnisse, Drogenverbot und Kondom-Zwang. Und noch etwas betont Kirsch: Ist eine Prostituierte mit einem Gast oder einer Praktik nicht einverstanden, darf sie jederzeit Nein sagen. Für Oliver Kirsch bedeutet das ohnehin keinen Verlust. „Aber es kommt eben auch mal vor, dass eine Frau einen Abend hier sitzt und nichts verdient.“

Hinter dem Vip-Club stecken keine verstrickten Besitzergeflechte. Nur zwei echte Menschen: Kirsch und sein stiller Partner haben den Club vor über acht Jahren eröffnet. Für die Düsseldorfer sichtbar ist das Edelbordell meist in Form seiner weißen Hummer-Stretchlimousine — eine 100 000 Euro teure Sonderanfertigung aus den USA, mit Frohnatur Rainer Perlin am Steuer hinter den getönten Scheiben.

Das soll sich aber ändern: Im Januar will Oliver Kirsch zu einem Tag der offenen Tür einladen. „Wir wollen erreichen, dass auch mal Paare einfach kommen, um was zu trinken“, erklärt der Chef. „Unser Club ist für jeden offen.“ Wenn er solvent ist, versteht sich.