Tatort-Kommissare im Weihnachts-Dienst - Fernseh-Kommissare lesen Charles Dickens

Die Münchner Fernseh-Kommissare lasen Charles Dickens im Schumann-Saal — und verzaubern alle.

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Düsseldorf. Tatort Ehrenhof. Nebel wallen auf. „Der Geist führte mich an die Börse“ — es ist nicht nur dieser Satz, der die 1843 erstmals aufgeführte Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens so aktuell erscheinen lässt. Immer wieder. Und jetzt — Stichwort Brexit — erst recht.

Schon im letzten Jahr war sie ein Bestseller der Reihe „Zweiklang. Wort und Musik“. Auch diesmal mussten trotz zwei Vorstellungen an einem Adventssonntag viele Kartenwünsche unerfüllt bleiben. Der Andrang ist sicher auch den Vortragenden zu verdanken; Miroslav Nemec und Udo Wachveitl, bestens bekannt als Münchner Tatortkommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr, auf der Bühne, virtuos begleitet von im doppelten Wortsinne beflügelten Musikern des Sagas-Ensembles des SWR-Sinfonieorchesters.

„Weihnachten ist Unfug“, lautet einer der ersten Sätze in der Geschichte um den hartherzigen Geizkragen Scrooge, der das Fest der Liebe für Zeit- und Geldverschwendung hält — bis ihn der Geist seines verstorbenen Geschäftspartners Jacob heimsucht und am Ende bekehrt. Doch ein Geist bleibt selten allein. Bei Dickens sind es gleich drei, die Geister der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht.

Und Nemec und Wachveitl haben noch mehr drauf. Im nüchternen Robert-Schumann-Keller zaubern sie im Handstreich eine bratapfelwarme, vorweihnachtliche Wohlfühl-Atmosphäre. Dazu tragen auch Regie und Bühnenbild von Martin Mühleis bei. So wird Weihnachten denkbar mit Dickens.

Wie die beiden alle guten und bösen Geister verkörpern im samtkragenbesetzten grauen Zweireiher — einfach märchenhaft.

Auf offener Bühne kommt ihr großes, inzwischen reifes schauspielerisches Talent erst so richtig zum Tragen. Schließlich kommen die zwei ja vom Theater, Nemec vom Residenztheater, Wachveitl von der Schauburg.

Besonders Wachveitl lässt seine Stimme Geisterbahn fahren, zieht alle Register, flüstert, röhrt und raunzt, klappert mit seinen Zähnen, die er zwischendurch mit einem kleinen Knall zuklappt wie eine Schatulle. Da bleiben auch die Kinder im Publikum gefesselt, wenn es um die schwere imaginäre Kette geht, die sich Scrooge mit seinem Geiz und seiner Gier selbst um den Hals gelegt hat. Nemec windet sich gekonnt in dieser knarzigen Rolle, aus der er am Ende neu beherzt als Gutmensch heraustanzen darf. Zwischendurch begegnet er sich selbst als kleiner Junge und steht im Geiste seiner einstigen Verlobten gegenüber. Staunen über sich selbst — das kann er gut.

Nemec und Wachveitl sind einfach ein tolles, in allen Facetten eingespieltes Team, dem man gerne zuschaut und zuhört. Nein, Weihnachten ist kein Unfug. Und in den Köpfen vieler Zuschauer hat der Vorverkauf für die Lesung im nächsten Jahr sicher schon begonnen.