Kinderpornos vom Campingplatz Ermittlungspannen nach Missbrauch - „Auch wenn wenige da sind, müssen die ordentlich arbeiten“
Detmold · Wer trägt die Verantwortung für die Pannen bei den Ermittlungen zum Missbrauch? Polizisten prangern den Personalmangel an. Der Innenminister spielt den Ball zurück.
Der Skandal um verschwundene Beweismittel für einen massenhaften Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde könnte weitere Konsequenzen haben. «Sollten weitere organisatorische oder personelle Maßnahmen nötig sein, werde ich nicht zögern, diese ebenfalls zu ergreifen», erklärte der zuständige Polizeichef und Landrat Axel Lehmann (SPD).
Unterdessen ging die Suche nach den abhandengekommen CDs und DVDs weiter. «Wir sind dran», bekräftigte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) im WDR. Das Argument des Personalmangels will er als Erklärung für die Pannen aber nicht gelten lassen: «Auch wenn wenige da sind, müssen die ordentlich arbeiten.» Unbestritten sei, dass es gravierende Fehler gegeben habe, sagte Landrat Lehmann, der auch die Kreispolizeibehörde Lippe leitet. Welche Fehler das im Einzelnen gewesen seien, werde in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt aufgeklärt. «Bis dahin verbieten sich Schnellschüsse», sagte er.
Auf dem Campingplatz in Lügde an der Grenze von Nordrhein-Westfalen zu Niedersachsen sollen über Jahre mindestens 31 Kinder im Alter zwischen 4 und 13 Jahren missbraucht und dabei gefilmt worden sein. Drei Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft. Der Fall hat sich mittlerweile auch zu einem Polizeiskandal ausgeweitet, weil im Gebäude der Kreispolizei in Detmold Beweismittel verschwanden. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft handelt es sich um 155 CDs und DVDs, die auf dem Campingplatz und in der Wohnung des Hauptverdächtigen gefunden worden waren.
Die Datenträger in einer Mappe und in einem Aluminiumkoffer sollten in einen extra eingerichteten Asservatenraum umgelagert werden. Dabei fiel auf, dass das Material fehlte. Mittlerweile suchen LKA-Spezialisten nach den Beweisstücken. «Rein theoretisch» könne der Koffer «irgendwo noch rumstehen», erklärte Reul am Samstagabend. «Es war auch zwischendurch mal ein Umzug da oben, dann waren noch mal Handwerker da.»
Pannen bei Ermittlungen in Lügde - Reul lehnt Untersuchungsausschuss ab
Die AfD hatte zuvor mit einem Untersuchungsausschuss gedroht, den sie alleine aber nicht durchsetzen kann. Reul sagte dazu im ZDF: «Wissen Sie, mich interessiert doch nicht, dass da jetzt Gremien rumtagen, jahrelang am besten, sondern wir brauchen jetzt ganz schnell die Aufklärung, so weit wie möglich.» Es gehe nun unter anderem darum, die Straftäter schnell vor Gericht zu bringen. «Und ich will wissen, was in dieser Polizei falsch gelaufen ist», sagte er.
Polizeichef und Landrat Axel Lehmann sagte, ihn machten die «eklatanten Fehlleistungen, die es bei der Polizei in Lippe gegeben» habe, fassungslos. «Hierfür entschuldige ich mich ausdrücklich bei allen Betroffenen des Verbrechens von Lügde.»
Der Sonderermittler, der das Verschwinden der Datenträger untersucht, habe einen ersten Bericht vorgelegt, erklärte Lehmann. Der Leiter der Direktion Kriminalität sei von seiner Aufgabe entbunden worden. Auch bei den Arbeitsabläufen gebe es erste Veränderungen. «So ist der Kreis der Zugangsberechtigten zu den Asservaten- und Sichtungsräumen deutlich reduziert worden», erklärte der Landrat. Ohnehin sei schon seit November 2018 eine Arbeitsgruppe aktiv, um die Prozesse und Strukturen in der Direktion Kriminalität zu verbessern.
Nach erster Einschätzung soll das Verschwinden der Beweismittel der Aufarbeitung des Falls nicht im Weg stehen. Lehmann sagte, er sehe keine Gefahr, dass der Verlust der CDs eine Verurteilung der Täter vereiteln könne. Insgesamt gebe es rund 15 Terabyte Daten. Davon seien maximal 0,7 Terabyte nicht mehr verfügbar. Die Staatsanwaltschaft Detmold geht davon aus, dass die Asservate aufgrund nachlässigen Umgangs nicht auffindbar seien. Ein Diebstahl sei aber nicht auszuschließen.
Gewerkschaften wiesen auf einen Personalmangel bei der Polizei hin. Nach Angaben von Landrat Lehmann hat der Kreis Lippe die niedrigste Polizeidichte in ganz NRW. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) monierte, die Kripo sei «ausgeblutet». Innenminister Reul will das als Erklärung nicht gelten lassen. «Dann muss man sich mehr Zeit nehmen», sagte er dem WDR.