Reisen in der EU Erweiterung der Corona-Ampel-Karte und gemeinsamer Impfpass angedacht

Brüssel · Bleibt zuhause: Das Motto gilt wegen der Pandemielage nicht nur im eigenen Land, sondern auch beim Reisen in Europa. Die EU-Staaten wollen möglichst gleiche Regeln. Deutschland aber hat schon vorgelegt.

Wegen der Gefahr durch neue Varianten des Coronavirus wollen die EU-Staaten gemeinsame Regeln für das Reisen vereinbaren.

Foto: dpa/Nicolas Maeterlinck

Wegen der Gefahr durch neue Varianten des Coronavirus wollen die EU-Staaten vermeidbare Reisen weitestgehend ausbremsen, die Grenzen für Waren und Pendler aber offen halten. Das vereinbarten die Staat- und Regierungschefs bei einem Videogipfel. Zur Debatte stehen nun neue Test- und Quarantänepflichten für Menschen aus „dunkelroten Zonen“ mit sehr hohen Corona-Fallzahlen. In Deutschland entspricht die Rechtslage aber bereits im Wesentlichen den EU-Plänen.

EU-Ratspräsident Charles Michel verwies nach rund vierstündigen Gesprächen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend auf eine ernste Lage wegen der neuen, ansteckenderen Virusvarianten, die zuerst in Großbritannien und Südafrika entdeckt worden waren. Man kämpfe an zwei Fronten: Beschleunigung der Impfungen in Europa und Eindämmung des Virus.

So wurde verabredet, viel häufiger gezielt nach den Virusmutationen zu suchen. Das Mittel dazu sind sogenannte Genom-Sequenzierungen. Die Grenzen in der EU sollten offen bleiben, um den Transport wichtiger Güter und die Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt zu sichern, sagte Michel. „Es sollte keine undifferenzierten Reisesperren geben.“ Doch seien womöglich weitere Reisebeschränkungen nötig.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will dazu eine Erweiterung der bereits bestehenden Corona-Ampel-Karte vorschlagen. Demnach soll für Regionen, in denen sich das Coronavirus sehr stark verbreitet, eine neue „dunkelrote“ Kategorie eingeführt werden. Auf der bestehenden Karte werden Regionen auf Grundlage gemeinsamer Kriterien je nach Infektionsgeschehen derzeit grün, orange oder rot markiert.

Von Personen, die künftig aus den dunkelroten Zonen innerhalb der EU verreisen wollen, könnten vor der Abreise ein Test sowie nach der Ankunft eine Quarantäne verlangt werden, sagte von der Leyen. Von nicht notwendigen Reisen solle dringend abgeraten werden. Auch Geimpfte können absehbar nicht mit Erleichterungen beim Reisen rechnen. Zwar wollen die 27 Staaten an einem gemeinsamen Impfpass arbeiten. Die Debatte über mögliche damit verbundene Vorteile wurde jedoch vertagt.

In Deutschland gilt die erwogene EU-Regelung im Wesentlichen bereits mit der Einreiseverordnung vom 14. Januar. Demnach gibt es drei Kategorien:

- „Normale“ Risikogebiete: Das sind Länder oder Regionen über einem Grenzwert (auch Inzidenzwert genannt) von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Das gilt derzeit für fast ganz Europa mit Ausnahme einzelner Gebiete in Griechenland, Finnland, Norwegen, Österreich und Dänemark.

- Hochinzidenzgebiete: Das sind Länder mit deutlich höheren Infektionszahlen als in Deutschland. Sie sind noch nicht konkret ausgewiesen worden, das soll aber sehr bald erfolgen. Wahrscheinlich wird die Grenze bei einem Inzidenzwert von 200 gezogen. Deutschland liegt bei 115.

- Virusvarianten-Gebiete: Das sind Gebiete, in denen hochansteckende Varianten des Corona-Virus aufgetreten sind. Bisher sind Großbritannien, Irland, Südafrika und Brasilien in dieser Kategorie.

Reisende aus „normalen“ Risikogebieten müssen sich spätestens 48 Stunden nach Einreise in Deutschland auf Corona testen lassen. Zudem müssen sie zehn Tage in Quarantäne, können sich davon allerdings durch einen zweiten negativen Test ab Tag fünf vorzeitig befreien lassen. Der Unterschied bei den Hochinzidenz- und Virusvarianten-Gebieten: Der Test muss bereits höchstens 48 Stunden vor Einreise erfolgen.

Frankreich will ab Sonntag bereits bei der Einreise einen PCR-Test fordern, der nicht älter als 72 Stunden ist. Ausnahmen sind nach Regierungsangaben für „wesentliche“ Reisen vorgesehen - vor allem für Grenzgänger und den Warenverkehr.

Letztlich liegen die Bestimmungen und Vorgaben für Reisende immer in der Hand der EU-Staaten. Der Zweck der jetzt geplanten gemeinsamen Standards ist vor allem, unterschiedliche Handhabe in Grenzgebieten zu vermeiden: bei ähnlicher Infektionslage sollen vergleichbare Maßnahmen getroffen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Gipfel Grenzkontrollen nicht völlig ausgeschlossen und gesagt: „Wenn ein Land mit einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle Geschäfte aufmacht, während sie bei uns noch geschlossen sind, dann hat man natürlich ein Problem.“ In Berlin und in Brüssel wird immer wieder auf die Grenzregion zwischen Sachsen und Tschechien verwiesen, wo die Coronazahlen wegen nicht immer synchroner Lockdown-Maßnahmen auf beiden Seiten der Grenze im Wechsel hoch und runter gehen. Pendler sollen dort künftig häufiger getestet werden.

Neben der Reisefrage war das Impfen Topthema des Treffens. Alle EU-Staaten wollten eine Beschleunigung der Impfkampagne, sagte Ratschef Michel. Die EU-Kommission erhielt nach seinen Worten Rückendeckung für ehrgeizige Impfziele: Bis zum Sommer sollen 70 Prozent der Erwachsenen in der EU gegen das Virus immunisiert sein, bis März 80 Prozent jener Menschen, die über 80 Jahre alt oder im Pflege- und Gesundheitsdienst tätig sind. Merkel bekräftigte jedoch lediglich, dass man allen in Deutschland bis zum Ende des Sommers - also bis zum 21. September - ein Impfangebot machen wolle.

(Von Michel Winde, Michael Fischer und Verena Schmitt-Roschmann, dpa)